Diese Handyaufnahmen aus dem Camp Moria sind wenige Stunden nach den verheerenden Bränden entstanden. Sie zeigen das Ausmaß der Zerstörung. Laut Feuerwehrangaben wurde das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos fast komplett zerstört. Hilfsorganisationen wie etwa Mission Lifeline dokumentieren seit Monaten die Situation der Geflüchteten vor Ort. So auch in der vergangenen Nacht.
Niklas Fischer, Mission Lifeline
"Ich habe gegen 22:30 Uhr die ersten Videos geschickt bekommen. Von Leuten aus dem Camp selber. Die Leute mussten alle fliehen. Die Geflüchteten befinden sich einerseits in den umliegenden Berghängen, also in den Olivenhain. Dann sind wohl einige den Berg möglichst hoch geflüchtet, um sich vor dem Feuer zu entfernen. Andere wiederum sind zwischen Moria und Mytilini auf der Straße. Dann sind wohl einige direkt schon in ein anderes Flüchtlingscamp namens Kara Tepe umgesiedelt worden."
Im Camp und der direkten Umgebung waren in der Nacht auf Mittwoch gleich mehrere Feuer ausgebrochen, die wegen starker Winde erst am Morgen endgültig gelöscht werden konnten. Die Brandursache ist bislang unklar. Lagerbewohner sprachen von Brandstiftung durch griechische Inselbewohner. Anderen Berichten zufolge hätten Migranten selbst Feuer gelegt und danach die Feuerwehr bei den Löscharbeiten behindert. Doch es könnte auch einfach ein Unglück gewesen sein.
Niklas Fischer, Mission Lifeline
"Es gab in den letzten Wochen und Monaten, aber speziell in den letzten Wochen im August sehr, sehr viele Brände. Da war fast täglich ein Brand. Deshalb war es jetzt nichts so Besonderes mehr, so bitter das auch ist. Aber die Strukturen sind halt schwierig vor Ort. Es gibt keine wirkliche Elektrizität für die Leute. Das heißt, wenn sie Strom holen, dann zapfen sie sich das irgendwo an, verlängern mit diversen Verlängerungskabel und Kabeltrommeln. Und jeder steckt sich da wieder dran. Da ist, glaube ich, selbst für mich als Laien in der Physik irgendwann klar, dass da die Spannung kollabiert und dass es da zu einem Kurzschluss kommen kann. Und andererseits gibt es auch oftmals Leute, die zum Beispiel in den Olivenhainen Feuer gemacht haben, ein Lagerfeuer, eine Brandstiftung, sondern ein Lagerfeuer oder gekocht haben und das ist vielleicht auch dadurch passieren konnte."
Verletzte und Tote gibt es offenbar keine. Laut Medienberichten begannen die Behörden noch in der Nacht mit der Evakuierung, nachdem auch Wohncontainer in Flammen standen. Geflüchtete berichteten, dass die Polizei dabei auch Tränengas einsetzte.
Das Flüchtlingslager Moria ist seit Jahren überfüllt. Zuletzt sollen im offiziellen Teil rund 12.600 Geflüchtete gelebt haben. Ausgelegt war es ursprünglich für 2800 Plätze. Insgesamt halten sich im und um das Camp rund 20.000 Menschen auf, größtenteils ohne fließend Wasser und Strom. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Unruhen unter den Migranten. Vor wenigen Tagen war das Camp zudem nach einem ersten Corona-Fall unter Quarantäne gestellt worden. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Zahl der Infizierten bei 35 liegt.
Niklas Fischer, Mission Lifeline
"Das hat meiner Meinung nach auch dazu geführt, dass die Stimmung immer weiter zugespitzt hat, aufgeheizt hat. Und vorher waren ja schon keine präventiven Corona-Maßnahmen möglich im Sinne von Abstandsregelung. Die Sanitäranlagen, wenn sie dann funktionieren, was auch nicht der Fall ist, ist einfach eine Katastrophe. Das heißt, es war überhaupt keine Möglichkeit da, diese Sachen einzuhalten. Und ja, man dachte das jetzt, wo Corona angekommen ist im Lager, wäre die Katastrophe komplett. Es war eine Frage der Zeit, bis es ankommt. Jetzt ist es angekommen, und man dachte: "Okay, schlimmer kann es jetzt nicht mehr werden". Und dann kam gestern Nacht der Brand."
Noch ist unklar, wo die Geflüchteten nun bleiben sollen. Derzeit sind Tausende Menschen obdachlos.
Niklas Fischer, Mission Lifeline
"Spätestens jetzt muss einfach klar gemacht werden, dass die Camps hier evakuiert werden müssen. Hier wird mit Menschen umgegangen, wie nicht mal auf dem schlimmsten Hühnerhof hantiert wird. Die Leute werden zusammengepfercht. Sie haben jetzt wieder alles verloren. Mir geht es um die Menschen und für mich kann es da nur eine Lösung geben, das man wirklich die Camps evakuiert. Das muss jetzt passieren."
Erste Reaktionen gab es unter anderem von Teilen der SPD und Grünen, die eine Aufnahme der Geflüchteten forderten.