Neues Gesetz nach Anschlägen Frankreich geht härter gegen Islamisten vor

Ein Plakat an der Fassade der Oper von Montpellier erinnert an den getöteten Lehrer Samuel Paty
Foto: PASCAL GUYOT / AFP»Dieser Text ist kein Text gegen Religionen.« Das stellte Frankreichs Premierminister Jean Castex unmittelbar nach der Verabschiedung eines neuen Gesetzes zum Kampf gegen Islamismus klar. Aber es sei eben ein Gesetz gegen extremistische Strömungen, sagte Castex nach der Kabinettssitzung in Paris.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Terroranschläge und Spannungen in den Vorstädten beschlossen das französische Kabinett und Staatschef Emmanuel Macron am Mittwoch den neuen Gesetzentwurf zur »Stärkung der republikanischen Prinzipien«. Es soll beispielsweise das Auflösen von Vereinen erleichtern, die die Werte Frankreichs infrage stellen. Bedrohungen oder Einschüchterungen von Beamten sollen bestraft werden. Auch Hassaufrufe im Internet sollen härter geahndet und ausländische Einflüsse auf Moscheen begrenzt werden. Premier Castex sagte, damit solle der »gefährlichen Ideologie ... des radikalen Islamismus« ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben werden.
»Paty-Paragraf« ist umstritten
Das Gesetz umfasst mehr als 50 Artikel und wurde schon länger diskutiert. Vor dem Hintergrund der jüngsten Terroranschläge im Land mit mehreren Toten bekommt es nun eine besondere Bedeutung. Erst Mitte Oktober war etwa der Lehrer Samuel Paty in einem Pariser Vorort von einem mutmaßlich islamistischen Gewalttäter grausam getötet worden. Kurz darauf tötete ein mutmaßlicher Dschihadist in Nizza mehrere Menschen in einer Kirche.
Ein Artikel im neuen Gesetz sieht unter anderem bis zu drei Jahre Haft und eine Geldbuße von 45.000 Euro gegen jeden vor, der »das Leben eines anderen durch Verbreitung von Informationen über dessen Privat- und Familienleben oder seinen Beruf in Gefahr bringt«. Es zielt auf Fälle wie die des getöteten Geschichtslehrers Paty – sein Name war im Internet veröffentlicht worden, nachdem er im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Im Internet wurden auch sein Name und seine Schule veröffentlicht. Gegner des Vorhabens fürchten allerdings, dass mit dem »Paty-Paragrafen« auch Kritik an der Regierung oder der Polizei unter Strafe gestellt werden könnte.
Kopftuchverbot für Busfahrerinnen, Badezeiten in Schwimmbädern
Die Grundzüge der Vorlage gehen auf Präsident Macron zurück. Der Staatschef hatte Anfang Oktober ein schärferes Vorgehen gegen islamistische Gruppen angekündigt. Zudem will er französische Moscheen unabhängiger von Ländern wie der Türkei, Saudi-Arabien oder Marokko machen. Dafür müssen Moscheen oder islamische Vereine Spenden über 10.000 Euro künftig transparenter machen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Macron deshalb scharf kritisiert. Das Gesetz dürfte auch den Einfluss des türkischen Dachverbands Ditib in Frankreich schmälern, der neben Geld auch Imame schickt. Ditib steht wegen seiner Nähe zu Erdoğan auch in Deutschland in der Kritik.
Die Regierung stellte ihre Pläne zum 115. Jahrestag des Gesetzes zur Laizität vor, das die strikte Trennung von Kirche und Staat in Frankreich regelt. Künftig sollen neben Staatsbeamten auch private Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes dem Gebot der »Neutralität« unterworfen sein. Das heißt laut Innenminister Gérald Darmanin, dass »religiöse Zeichen« wie ein Kopftuch etwa für Busfahrerinnen verboten sind oder Flughafenmitarbeiter keine »sektiererischen« Überzeugungen vertreten dürfen.
Zudem sollen Präfekten religiös motivierte Praktiken künftig innerhalb von 48 Stunden verbieten können. Als Beispiel nannte Darmanin separate Schwimmbadzeiten für Frauen und Männer: Eine solche Regelung sei »nicht vereinbar mit den Werten der Republik«, betonte er. Auch Hausunterricht aus religiösen Motiven oder »Jungfräulichkeitsatteste« von Ärzten sollen untersagt werden.
Nach einer Umfrage reagiert die französische Regierung auf weit verbreitete Ängste in der Bevölkerung: Danach äußerten sich 88 Prozent besorgt über den Islamismus, 58 Prozent sogar »sehr besorgt«. Auch der laufende Prozess gegen Hintermänner des Anschlags auf die Satirezeitung »Charlie Hebdo« vor fast sechs Jahren hat Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt.