Abschied von ermordetem Lehrer Samuel Paty "Ein Märtyrer für die Redefreiheit"

Nach der Ermordung von Samuel Paty nimmt Frankreich mit einer nationalen Gedenkfeier Abschied. Ein Imam bat alle Moscheen, den Geschichtslehrer in das Freitagsgebet aufzunehmen.
Trauerstätte für Samuel Paty vor der französischen Botschaft in Berlin

Trauerstätte für Samuel Paty vor der französischen Botschaft in Berlin

Foto: CLEMENS BILAN/EPA-EFE/Shutterstock

Nach der Ermordung des Geschichtslehrers Samuel Paty plant die französische Regierung eine nationale Gedenkfeier im Innenhof der Sorbonne-Universität in Paris. Wie der Élyséepalast bekannt gab, wurde der Ort der Veranstaltung im Einvernehmen mit der Familie des Verstorbenen ausgewählt. Präsident Emmanuel Macron hatte Patys Angehörige am Montag persönlich empfangen.

Die Sorbonne stehe für einen historischen Ort der Bildung und sei ein Symbol für den Geist der Aufklärung. Zudem sei die historische Universität immer eine Bühne für Meinungsfreiheit und Austausch gewesen.

Nicht an der Trauerfeier teilnehmen wird die Ehefrau des französischen Präsidenten, Brigitte Macron. Die "Première Dame" hatte am vergangenen Donnerstag Kontakt zu einem Corona-Infizierten und gehe daher freiwillig in Quarantäne.

Der 47 Jahre alte Geschichtslehrer Paty war am Freitag in einem Vorort nordwestlich von Paris auf offener Straße enthauptet worden. Der 18 Jahre alte Tatverdächtige mit russisch-tschetschenischen Wurzeln wurde von der Polizei erschossen. Kurz nach der Tat hatte er im Netz noch damit geprahlt und geschrieben, der Pädagoge habe den Propheten Mohammed herabgesetzt. Der Lehrer hatte zum Thema Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt. Daraufhin mobilisierte der Vater einer Schülerin massiv im Netz gegen ihn. Macron sprach unmittelbar nach dem Verbrechen von einem islamistischen Terrorakt. 

Der Tod des Pädagogen bewegt Frankreich, das seit Jahren vom islamistischen Terrorismus erschüttert wird. Zehntausende Menschen waren am Sonntag unter dem Motto "Je suis Samuel" oder "Je suis Prof" ("Ich bin Lehrer") auf die Straße gegangen, um für Meinungsfreiheit einzutreten. Bei islamistischen Terroranschlägen wurden in den vergangenen Jahren im Land mehr als 250 Menschen getötet. 

Schweigeminute im Europaparlament

Das Europaparlament hielt eine Schweigeminute für Paty ab. Lehrerinnen und Lehrer bräuchten nun Unterstützung, sagte Parlamentspräsident David Sassoli in Brüssel. In Frankreich löste der Anschlag eine breite politische Debatte aus. Macrons Hauptkonkurrentin, die Rechtspopulistin Marine Le Pen, sagte, die "Ausrottung des Islamismus auf französischem Boden" sei eine Pflicht.  

Der Pariser Imam Hassen Chalghoumi nannte Paty einen "Märtyrer für die Redefreiheit" und warnte vor islamistischem Extremismus. Er bat alle Moscheen in Frankreich, Paty in ihr kommendes Freitagsgebet einzuschließen.

Innenminister Darmanin sagte, dass der Vater, der im Netz gegen den Lehrer mobilisiert hatte, und andere "eine Fatwa gegen den Lehrer erlassen" hätten. Es gebe dafür kein anderes Wort. Eine Fatwa ist im Islam eine Rechtsauskunft, um ein religiöses oder rechtliches Problem zu klären. Weltweit negative Schlagzeilen machte der Begriff, als der iranische Revolutionsführer Ajatollah Khomeini 1989 eine Todesdrohung gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie wegen Gotteslästerung aussprach. 

Ein Verteidigungsrat unter Vorsitz Macrons beschloss am Sonntagabend, die Sicherheit im Schulbereich zu verbessern. Wie Élysée-Insider berichteten, sollen zudem Onlineplattformen verstärkt überwacht werden, um bei Gewaltaufrufen schneller eingreifen zu können.

Macron hatte bereits zu Monatsbeginn in einer Rede angekündigt, stärker gegen den "radikalen Islamismus" vorzugehen. Dieser versuche, im Land eine Parallelgesellschaft mit anderen Werten zu errichten. Macron kündigte damals an, es werde künftig einfacher für die Behörden sein, Vereine aufzulösen. Innenminister Darmanin will nach eigenen Angaben die Vereine CCIF (Collectif contre l'islamophobie en France) und Baraka City verbieten. CCIF wehrte sich schon vor der Ankündigung via Twitter, es gebe eine Hasskampagne gegen die Organisation. 

pgo/dpa/Reuters
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