Massenprotest gegen die Rente mit 64: Bus- und Bahnfahrer, Flughafenpersonal, Lehrkräfte und Raffineriearbeiter - zum zweiten Mal in diesem Monat streiken und protestieren Hunderttausende in Frankreich gegen die Pläne von Präsident Emmanuel Macron, das Renteneintrittsalter um zwei Jahre zu erhöhen. Die Reform birgt Zündstoff, landesweit waren 11.000 Polizisten und Gendarmen im Einsatz.
Geneviève Gregoire, Renterin
»Eine Gesellschaft, die sich weiterentwickelt, kehrt nicht in die Steinzeit zurück, in die Zeit der Cro-Magnons, in der wir keine Renten hatten. Die menschliche Spezies muss sich weiterentwickeln und nicht eine Gesellschaft haben, die einen Schritt zurück macht.«
Isabelle Texier, Busfahrerin
»Wir werden nicht Busfahren bis wir 64 Jahre alt sind. Das ist einfach nicht möglich. Es gibt Berufe mit schwierigen Bedingungen, bei denen man nicht verlangen kann, dass die Menschen bis 64 Jahre arbeiten, zum Beispiel Dachdecker. Von denen können wir nicht verlangen, bis 64 Jahre zu arbeiten, das ist nicht akzeptabel. Für den Präsidenten ist es einfach. Er sitzt auf einem Stuhl. Macron kann bis zum 70. Lebensjahr arbeiten, wenn er will.«
Sie gehört zu den wichtigsten Wahlversprechen von Emmanuel Macron: Die Rentenreform. 2019 hatte er die Pläne wegen der Coronapandemie zurückgezogen, nun will Frankreichs Präsident sie gegen alle Proteste durchsetzen.
Bis 2023 soll das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre steigen. Zugleich soll die Mindestrente ohne Abschläge um 100 Euro steigen – auf 1200 Euro.
Mit der Reform will Macron das Rentensystem sanieren – andernfalls drohe bis 2030 ein Defizit von 14 Milliarden Euro.
Laut der OECD gehen Menschen in Frankreich im Schnitt zweieinhalb Jahre früher in Rente als in anderen Industrieländern – Männer mit 60 und Frauen mit 61 Jahren. In Deutschland sind es 64 Jahre.
Emmanuel Macron, französischer Präsident:
»Wir sollten nie vergessen, dass diese Reform unverzichtbar ist, wenn wir uns mit dem Rest Europas vergleichen und wenn wir unsere kollektive Notwendigkeit sehen, unser umlagefinanziertes Rentensystem zu erhalten und zu retten.«
Laut Umfragen ist die Mehrheit in Frankreich gegen Macrons Reform. Doch auch über die andauernden Streiks sind viele Franzosen nicht glücklich - Fernzüge von und nach Deutschland fielen aus, und auch die Pariser Metro fuhr nur sporadisch.
»Für diejenigen, die arbeiten wollen, ist es schwer. Es betrifft alle, sogar die Schüler, die versuchen weiter zur Schule zu gehen, das macht es schwer – für alle. Es ist nicht einfach.«
»Es ist legitim, gegen die Heraufsetzung des Rentenalters zu protestieren. Aber wir leben in einem Land, in dem es immer, immer wieder Proteste gegen alles und jedes gibt. Wenn ich nach London oder Lissabon fahre, gibt es nie so ein Problem.«
»Ich denke, die Pendler sollten nicht betroffen sein. Wenn die Gewerkschaften wirklich etwas ändern wollen, dann sollte es die Regierung treffen. Ansonsten verlieren sie Menschen, die auf ihrer Seite stehen. Heute glaube ich nicht, dass es den Streik wert ist.«
Macrons Rentenreform wird bereits im zuständigen Sozialausschuss geprüft. Premierministerin Elisabeth Borne machte den Demonstrierenden wenig Hoffnung: Sie bezeichnete die Erhöhung des Rentenalters am Montag als »nicht verhandelbar«.