Donald Trump, US-Präsident
"Manche sagen, Frauen mögen mich nicht. Ich glaube, sie mögen mich!"
Genau einhundert Jahre nachdem Frauen sich das allgemeine Wahlrecht in den USA erkämpft haben, könnten ihre Stimmen im November 2020 ausschlaggebend sein:
Kathryn De Palo Gould, Politikwissenschaftlerin
"Die Wahlbeteiligung der amerikanischen Frauen ist immer etwa vier Prozentpunkte höher als die der Männer. Allein aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit können sie also die Wahl entscheiden."
Domonique James, Politikberaterin
"Frauen werden in vielerlei Hinsicht ein wesentlicher Faktor bei diesen Wahlen sein: Wir haben Hardcore-Trump-Wählerinnen, die den Präsidenten lieben. Wir haben aber auch konservative Frauen, die seine Rhetorik oder seine Art nicht mögen, und die mit den Republikanern gebrochen haben. Und wir haben natürlich die Basis der Demokraten. Afroamerikanerinnen sind das Rückgrat der demokratischen Partei. Aber die Demokraten sind eine große Volkspartei. Dazu gehören Weiße, Latinas, Hispanas, Asiatinnen. Sie sehen sich als Demokratinnen oder zumindest Trump-Gegnerinnen - und nehmen möglicherweise an dieser Wahl teil."
Die Geschichte: 100 Jahre Frauenwahlrecht
Carrie Chapman Catt, 1920
"Das Frauenwahlrecht ist eine lange Geschichte von harter Arbeit und Kummer – gekrönt von einem Sieg."
Kathryn De Palo Gould, Politikwissenschaftlerin Universität Florida
"Die Präsidentschaftswahl 1920 war die erste Wahl, bei der Frauen das Recht zu wählen hatten. Männer, die 1920 an der Macht waren, fürchteten, dass Frauen sie überrumpeln würden. Aber Frauen tendierten dazu, wie ihre Ehemänner abzustimmen - falls sie überhaupt wählen gingen. Es dauerte 60 Jahre, bis es tatsächlich geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Wahlentscheidung gab."
Das System: Der entscheidende "Gender Gap"
Analysen des Pew Research Centers zeigen: Der sogenannte "Gender Gap" – also ein geschlechtsspezifischer Unterschied - in der Parteibindung existiert deutlich erst seit gut 20 Jahren.
Ruth Igielnik, Datenanalystin Pew Research Center
"Wenn wir uns eine heutige Momentaufnahme der politischen Identifizierung anschauen, erkennen wir, dass weiße Frauen mit höherer Bildung zu den Demokraten tendieren, und weiße Männer mit geringerem Bildungsstand zu den Republikanern tendieren. Aber dies ist ein relativ neues Phänomen. Erst seit etwa 2010 können wir beobachten, dass der Bildungsstand eine Rolle spielt. Wir haben im vergangenen Vierteljahrhundert gesehen, dass Männer ziemlich beständig bei den Republikanern bleiben. Bei Frauen geht die Tendenz Richtung Demokraten. Diese Verschiebungen sind relativ klein, aber Frauen bewegen sich erkennbar in Richtung der Demokraten."
Es gibt natürlich Ausnahmen von dieser Regel – immerhin wählten 47 Prozent der weißen Frauen Trump im Jahr 2016.
Hillary Clinton verlor die Wahl, allerdings nur wegen des Wahlsystems: Im sogenannten Electoral College gilt in fast allen Bundesstaaten: Alle Wahlmänner bekommt der Kandidat, der dort die meisten Stimmen geholt hat. Die etwa 2,9 Millionen mehr Wählerstimmen insgesamt halfen Clinton 2016 nicht.
Die Gegenwart: Frau im Wahlkampf
Kellyanne Conway, Trump-Beraterin
"Vor 100 Jahren sicherten mutige Kämpferinnen Frauen das Wahlrecht. Dieses Jahrhundert kann gebührend gefeiert werden. Aber es erinnert uns auch daran, dass unsere Demokratie jung und fragil ist. Eine Frau in einer Führungspostion hat immer noch Seltenheitscharakter. Allerdings nicht für Präsident Trump. Jahrzehntelang hat er Frauen in Führungspositionen erhoben, in Unternehmen wie in der Regierung."
Trumps langjährige Beraterin Kellyanne Conway hat zwar vor kurzem das Weiße Haus verlassen, doch beim Parteitag der Republikaner verkauft sie Trump als großen Fürsprecher von Frauen. Die Konkurrenz wird konkreter: Joe Biden setzt mit seiner Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris ein deutliches Zeichen für Diversität:
Domonique James, Politikberaterin, Gründerin "Politics with Purpose"
"Sie ist nicht nur eine Frau, sie ist eine Person of Colour mit einem multiethnischen Hintergrund. Und sie hat sich mit den Themen beschäftigt, die für uns heute wichtig sind. Nicht nur als Bezirksstaatsanwältin in San Francisco, auch als Attorney General von Kalifornien. Sie kennt und versteht die verschiedenen Communities, sie hat gelebte Erfahrung. Ich will nicht sagen, dass sie die "clevere Wahl" war - denn sie ist absolut qualifiziert. Aber sie ist bestimmt eine, die viele Menschen auf beiden parteipolitischen Seiten erreichen kann."
Der Präsident wittert in ihr offenbar eine Gefahr, immerhin hatte ihre Nominierung prompt Rekordsummen an Wahlkampfspenden für die Demokraten eingebracht. Trump reagiert mit bitteren Angriffen:
Donald Trump, US-Präsident
"Wisst ihr was? Die Leute mögen sie nicht. Niemand mag sie. Sie könnte nie die erste Präsidentin sein, nie. Das wäre eine Beleidigung für unser Land."
Die Prognose: Wechselwählerinnen entscheiden
Statistiken belegen: bei der Wahlbeteiligung hatten Frauen zwar in den vergangenen 20 Jahren immer die Nase vorn. Doch das allein reicht nicht – wie bei der vergangenen Präsidentenwahl gesehen. 2016 fehlten Hillary Clinton 80.000 Stimmen – in den entscheidenden Swing States. Hinzu kommen Wähler, die bis zuletzt ihre Wahlentscheidung geheim halten – und für Überraschungen sorgen.
Domonique James, Politikberaterin
"Was 2016 die Demoskopen völlig unvorbereitet traf - als bis zum Ende die Umfragen Hillary Clinton mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit als Siegerin sahen - waren die "schüchternen Trumpers", die "stille Mehrheit", wie Trump sie nennt. Sie brachten den knappen Sieg. Zusammen natürlich mit den Menschen, die beide Kandidaten nicht mochten und einfach zuhause geblieben sind. Es sind viele kleine einzelne Gruppierungen, die auch diesmal eine entscheidende Rolle spielen werden."
Eine dieser Wählergruppen dürfte jedoch 2020 eine maßgebliche Rolle spielen:
Kathryn De Palo Gould, Politikwissenschaftlerin
"Wenn man sich die Zielgruppe anschaut, die Trump und Biden beide ins Auge fassen: Es sind Frauen in den Vororten. Bei den vielen Problemen, die wir hier in den USA haben - sei es die Gesundheitsvorsorge, die Rassendiskriminierung, aber auch die Proteste und Ausschreitungen – in beide Richtungen beeinflusst werden. Und das versucht jeder nun vorherzusagen: In welche Richtung gehen sie? Denn in hart umkämpften Bundesstaaten wie hier in Florida, wo ich lebe, werden Wahlen um ein bis zwei Prozentpunkte entschieden. Sollte also eine kleine Bewegung Richtung Biden passieren – könnte Trump Florida verlieren. Und das entscheiden eben hauptsächlich Frauen."
Die Suffragetten von einst dürften zumindest mit ihrer Errungenschaft zufrieden sein. 100 Jahre später dürfen nun ihre Nachfolgerinnen im Herbst für eine besonnene Entscheidung sorgen.