Verleihung des Friedensnobelpreises Memorial-Chef berichtet von Druck russischer Behörden

Memorial-Vorsitzender Jan Ratschinski: »Wir wurden gebeten, den Preis abzulehnen«
Foto: Rodrigo Freitas / APRussische Behörden haben nach Angaben des Memorial-Vorsitzenden im Vorfeld der Verleihung des Friedensnobelpreises Druck auf die Menschenrechtsorganisation ausgeübt. »Wir wurden von unseren Behörden gebeten, den Preis abzulehnen, weil sie die Co-Preisträger für unpassend hielten«, sagte Jan Ratschinski im Interview mit der BBC. Natürlich habe man den Rat nicht befolgt.
Menschenrechtsaktivisten aus Belarus, Russland und der Ukraine wurden am Samstag in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Neben der russischen Organisation Memorial ehrte das Komitee auch den inhaftierten belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Beljazki und das ukrainische Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL).
Preisträger Beljazki in Minsk inhaftiert
Beljazki, der seit anderthalb Jahren in Minsk im Gefängnis sitzt, wurde von seiner Frau Natalja Pintschuk vertreten. Die Preisträger waren bereits Anfang Oktober bekannt gegeben worden. Ihre Auszeichnung gilt auch als Zeichen gegen das Vorgehen der autoritären Herrscher in Russland und Belarus.
Die CCL-Vorsitzende Olexandra Matwijtschuk sagte im Interview mit dem SPIEGEL, der Preis gehe an Menschen, »die den größeren Teil ihres Lebens gegen das gemeinsame Böse gekämpft haben, nämlich die autoritären Regime von Putin und Lukaschenko«.
Die Bürgerbewegung Memorial dokumentierte jahrzehntelang die Verbrechen der Sowjetzeit. Inzwischen ist die Menschenrechtsorganisation in Russland verboten und aufgelöst worden.
Ratschinski verurteilte in seiner Rede den russischen Angriff auf die Ukraine als »verrückten und kriminellen Angriffskrieg«. Unter der Präsidentschaft von Wladimir Putin werde Widerstand als Faschismus gebrandmarkt, sagte er. Dies diene »der ideologischen Rechtfertigung« für den Krieg gegen das Nachbarland.
Der BBC sagte er: »Im heutigen Russland kann die persönliche Sicherheit von niemandem garantiert werden. Ja, viele sind getötet worden. Aber wir wissen, wozu die Straflosigkeit des Staates führt.«