Friedensnobelpreis für Menschenrechtler Memorial-Vorsitzender verurteilt »verrückten und kriminellen Angriffskrieg«

Preisträger Natalja Pintschuk, Jan Ratschinski und Olexandra Matwijtschuk (von links): »Kampf gegen das Böse«
Foto: Javad Parsa / TT / IMAGOMenschenrechtler aus Belarus, Russland und der Ukraine sind in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Die Vorsitzende des ukrainischen Zentrums für bürgerliche Freiheiten (CCL), Olexandra Matwijtschuk, und der Chef der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Jan Ratschinski, nahmen die Auszeichnungen persönlich entgegen. Der inhaftierte Menschenrechtsanwalt Ales Beljazki aus Belarus wurde von seiner Ehefrau Natalja Pintschuk vertreten.
Der Memorial-Vorsitzende Ratschinski verurteilte in seiner Rede den russischen Angriff auf die Ukraine als »verrückten und kriminellen Angriffskrieg«. Unter der Präsidentschaft von Wladimir Putin werde Widerstand als Faschismus gebrandmarkt, sagte er. Dies diene »der ideologischen Rechtfertigung« für den Krieg gegen das Nachbarland. Ratschinskis Organisation ist in Russland inzwischen verboten.
Auch Beljazkis Ehefrau Pintschuk kritisierte Putin. »Ich weiß genau, welche Art von Ukraine zu Russland und Putin passen würde – eine abhängige Diktatur. Genau wie das heutige Belarus, wo die Stimme des unterdrückten Volkes ignoriert und missachtet wird.« Pintschuk sagte, sie spreche im Namen ihres Mannes. Er habe den Preis »Millionen belarussischen Bürgern gewidmet«, die aufgestanden seien und sich für ihre Bürgerrechte eingesetzt hätten. Der Preis unterstreiche die dramatische Situation in ihrem Land.
»Stolz der Belarussen«
Belarussische Sicherheitskräfte hatten Beljazki im Juli 2021 festgenommen. Der 60-Jährige kämpft seit vielen Jahren für Demokratie und Freiheit in seinem Heimatland. Er gründete das Menschenrechtszentrum Wjasna und erlangte im Zuge der Massenproteste nach der Präsidentenwahl im Sommer 2020 große Berühmtheit. Hunderttausende Belarussen gingen damals gegen den Machthaber Alexander Lukaschenko auf die Straßen, die Wahlergebnisse halten sie für gefälscht. Zehntausende Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen, Hunderte verletzt und mehrere getötet. Der Kreml half Lukaschenko beim Niederschlagen der Proteste, seitdem ist der russische Einfluss in Belarus noch gestiegen.
Der Preis wurde Beljazki, Memorial und dem CCL bereits Anfang Oktober zugesprochen. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja nannte Beljazkis Auszeichnung damals »eine wichtige Anerkennung für alle Belarussen, die für Freiheit und Demokratie kämpfen«. »Beljazki ist der Stolz der Belarussen«.
Die CCL-Vorsitzende Matwijtschuk sagte im Interview mit dem SPIEGEL, der Preis gehe an Menschen, »die den größeren Teil ihres Lebens gegen das gemeinsame Böse gekämpft haben, nämlich die autoritären Regime von Putin und Lukaschenko.«
Das norwegische Nobelkomitee teilte mit, die drei Preisträger hätten sich außerordentlich bemüht, Kriegsverbrechen, Verstöße gegen Menschenrechte und Missbrauch von Macht zu dokumentieren. »Gemeinsam demonstrieren sie die Bedeutung der Zivilgesellschaft für Frieden und Demokratie«, so die Jury.
Die Nobelpreise gehen auf den Dynamit-Erfinder und Preisstifter Alfred Nobel zurück. Sie werden traditionell an dessen Todestag, dem 10. Dezember, überreicht – der Friedensnobelpreis als einziger in Oslo, alle anderen in Stockholm. Pro Kategorie ist die Auszeichnung in diesem Jahr mit einem Preisgeld von zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920.000 Euro) dotiert.