G20-Gipfel in Rom Klimaschützer kritisieren Entwurf für Abschlusserklärung

Waldbrände in Griechenland
Foto: Nicolas Economou / NurPhoto / Getty ImagesDie großen Industrienationen (G20) wollen auf ihrem Gipfel in Rom neue Versprechen für mehr Klimaschutz abgeben, sind aber noch uneins über konkrete Ziele. In einem Entwurf des Abschlusskommuniqués, der der Nachrichtenagentur dpa vorlag, wird zu »sofortigem Handeln« aufgerufen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Strittig ist demnach, ob sich die G20-Staaten bei ihrem Treffen am Wochenende auch zu einem gemeinsamen Ziel für Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen oder Kohlendioxid-Neutralität bis zum Jahr 2050 bekennen werden. Klimaschützer zeigten sich enttäuscht von dem Textentwurf. Er bleibe zu vage, lautet die Hauptkritik.
»Der Textentwurf drückt leider nicht die notwendige Entschlossenheit aus«, sagte der Klimaexperte Jan Kowalzig von der Nichtregierungsorganisation Oxfam. Zwar werde die Lücke zwischen dem 1,5-Grad-Ziel und den Aktionsplänen anerkannt, »aber der Aufruf zu mehr Klimaschutz ist zu unverbindlich und zu unkonkret«.
Schlupfloch für neue Kohlekraftwerke
Mit dieser Einschätzung stehen Klimaschützer nicht allein da. So reichen die bisherigen Anstrengungen einem Uno-Bericht zufolge bei Weitem nicht aus. Mit den jüngsten Klima-Versprechen würden die Treibhausgase bis 2030 nur um 7,5 Prozent verringert. Für das 1,5-Grad-Ziel würden aber 55 Prozent benötigt – für einen Anstieg um maximal 2 Grad noch immer 30 Prozent.
In dem Entwurf bekräftigt die G20-Gruppe ihr Ziel eines »weitgehend« kohlendioxidfreien Stromsektors in den 2030er-Jahren. Ursprünglich war nach dpa-Informationen allerdings von einer »überwältigenden« Mehrheit des Stromsektors die Rede, der kohlendioxidfrei sein sollte. Die Staaten wollen demnach »ihr Äußerstes tun«, um den Bau neuer Kohlekraftwerke zu vermeiden, wobei aber ein Schlupfloch zugelassen wird, indem »nationale Umstände berücksichtigt werden«.
In dem Dokument steht das Zieljahr 2050 noch in Klammern. So hat sich China als der mit Abstand größte Produzent von Kohlendioxid bisher nur dazu bekannt, erst 2060 kohlendioxidneutral werden zu wollen. Indien will sich wohl gar kein solches Ziel setzen. Netto-Null bedeutet, dass alle Treibhausgas-Emissionen durch Maßnahmen zur Reduktion wieder aus der Atmosphäre entfernt werden. Die G20-Staaten sind für mehr als 75 Prozent der Emissionen weltweit verantwortlich.
Die Staats- und Regierungschefs wollen in Rom unter anderem das Weltklimatreffen (COP26) vorbereiten, das am Sonntag im schottischen Glasgow beginnt. Dort soll beraten werden, wie das 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierte Ziel erreicht werden kann, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
»Es geht um das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten«
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief in Brüssel zu mehr Engagement im Kampf gegen die Erderwärmung auf. »Es geht nicht um die Frage, wer fortschrittlicher sein wird als andere. Es geht um das Überleben der Menschheit auf diesem Planeten.«
Bei der COP26 sollen die Industrieländer demnach aufgefordert werden, ihre Finanzhilfen für den Klimaschutz in ärmeren Staaten aufzustocken, damit das vereinbarte Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr erreicht wird. Von der Leyen sagte, sie gehe davon aus, dass auch die Zusagen aus der EU noch einmal erhöht würden.
Mit entscheidend wird sein, wie sich China auf dem Gipfel verhält. Bislang kommen aus Peking wenig ermutigende Signale. Die Regierung legte am Donnerstag eine aktualisierte Version seiner nationalen Klimaschutzpläne vor. Daraus geht hervor, dass Peking seine Pläne offenbar nicht nachgeschärft hat.
Das Land peilt demnach an, vor 2030 den Höhepunkt seiner CO₂-Emissionen zu erreichen. Diese Vorgabe ist aber ebenso wenig neu wie der Plan, bis 2060 klimaneutral zu werden. Peking kündigte zudem an, bis 2030 die installierte Leistung von Wind- und Solaranlagen auf 1200 Gigawatt zu steigern. Dies erlaubt jedoch keinen Rückschluss auf die Emissionen insgesamt. Ähnlich verhält es sich mit weiteren Klima-Vorhaben der chinesischen Führung.