Terror in Jerusalem Palästinenserbehörde macht Israel für Gewalt verantwortlich

Israelische Soldaten am Tatort in Ost-Jerusalem (am Samstag)
Foto: Amir Levy / Getty ImagesIsrael trage die »volle Verantwortung für die gefährliche Eskalation« – das erklärte die Palästinensische Autonomiebehörde am Samstag nach den beiden Anschlägen in Jerusalem. Wobei sich die Quasi-Regierung der von Palästinensern verwalteten Gebiete im Westjordanland und dem Gazastreifen nicht konkret zu den Attentaten äußerte.
Zuvor hatte die islamistische Hisbollah im Libanon den Anschlag vom Freitagabend als »heldenhaft« gelobt. Die militante, mit dem Iran verbündete Organisation bekundete »absolute Unterstützung für alle Schritte, die die palästinensischen Widerstandsgruppen unternommen haben«.
Am Freitagabend, ausgerechnet am internationalen Holocaust-Gedenktag, hatte ein palästinensischer Angreifer nach Beginn des jüdischen Schabbat das Feuer vor einer Synagoge in Ost-Jerusalem eröffnet. Sieben Menschen wurden erschossen, mindestens drei verletzt. Der 21-jährige Angreifer wurde von der Polizei nach einer Verfolgungsjagd getötet. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben am Samstag 42 Menschen zur Befragung fest. Darunter seien Familienangehörige des Attentäters, der ebenfalls aus Ost-Jerusalem stammte, sowie andere Bewohner seines Stadtteils.
Einen Tag nach diesem Attentat ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern mit einem erneuten Schusswaffenangriff in Ost-Jerusalem weiter eskaliert: Ein 13-jähriger Palästinenser schoss am Samstag laut Polizeiangaben in der Nähe der Altstadt um sich und verletzte einen 47 Jahre alten Vater und seinen 23-jährigen Sohn. Beide wurden demnach am Oberkörper von Kugeln getroffen, der Sohn erlitt schwere Verletzungen. Der palästinensische Teenager aus dem von Israel annektierten Ostteil der Stadt sei von Passanten überwältigt und dabei verletzt worden.
Freudenfeiern in Gaza und Westjordanland
Palästinenser in den autonomen Gebieten hatten am Freitagabend mit Freudenfeiern auf den Terroranschlag vor der Synagoge reagiert. Augenzeugen berichteten, wie Militante am Freitagabend in die Luft schossen und auf die Straßen strömten. Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden Hamas teilte mit, bei dem Anschlag handele es sich um »eine Vergeltung für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin am Donnerstag«.
Bei der Razzia der israelischen Armee im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin im Norden des besetzten Westjordanlands waren am 27. Januar neun Palästinenser getötet worden. Nach Angaben der Uno war es die höchste Opferzahl bei einem einzelnen israelischen Einsatz im Westjordanland seit dem Ende der zweiten Intifada, dem Palästinenseraufstand von 2000 bis 2005.
Als Vergeltung wurden am Freitag aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel abgefeuert. Die meisten Raketen fing die israelische Armee mit ihrem Luftabwehrsystem ab. Als Reaktion auf die Raketenangriffe flog Israel seinerseits mehrere Luftangriffe gegen Stellungen der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen.
Für die Polizei galt nach dem Angriff vor der Synagoge die höchste Alarmstufe. Israels Polizeichef Kobi Schabtai sprach mit Blick auf das Attentat in Jerusalem von »einem der schlimmsten Anschläge der vergangenen Jahre«. Regierungschef Benjamin Netanyahu kündigte »sofortige Gegenmaßnahmen« an.
In Israel und international wächst nun die Sorge vor einer unkontrollierbaren Eskalation der Gewalt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich angesichts der Attentate »zutiefst erschüttert«. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ermahnte die Konfliktparteien, »eine Spirale der Gewalt um jeden Preis zu vermeiden«.
Zahlreiche Staaten verurteilten den Angriff, darunter die USA, Frankreich, Großbritannien, die Türkei sowie die arabischen Staaten Jordanien, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate. Viele Länder riefen Israelis und Palästinenser zur Zurückhaltung auf. Die EU verurteilte die Attentate in Jerusalem als »Akte wahnsinniger Gewalt und Hass«, appellierte aber gleichzeitig an Israel, tödliche Gewalt nur als »letztes Mittel« einzusetzen.
We share 🇮🇱 pain after the terrorist attacks in Jerusalem. Among the victims is a 🇺🇦 woman. Sincere condolences to the victims' families. The crimes were cynically committed on the Intl Holocaust Remembrance Day. Terror must have no place in today's world. Neither in 🇮🇱 nor in 🇺🇦
— Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) January 28, 2023
Auch Russland rief die Konfliktparteien zu »größtmöglicher Zurückhaltung« auf. »Eine weitere Eskalation der Spannungen« müsse verhindert werden, erklärte das russische Außenministerium. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verurteilte die Angriffe in Jerusalem als Terroranschläge und »zynische Verbrechen«. »Unter den Opfern ist eine ukrainische Frau«, schrieb Selenskyj am Samstag auf Twitter. Selenskyj, der jüdische Wurzeln hat, sprach den Angehörigen sein Beileid aus.
Am Montag und Dienstag will sich US-Außenminister Anthony Blinken in Jerusalem und Ramallah um Deeskalation bemühen.