Regierungskrise in Großbritannien Johnson feuert offenbar alten Weggefährten, Minister für Wales tritt zurück

Boris Johnson weist weiter alle Rücktrittsforderungen von sich. Nun hat er Berichten zufolge Wohnungsbauminister Gove entlassen. Und: Chefjustiziarin Braverman bietet sich als neue Premierministerin an.
Boris Johnson: »Der Premierminister ist in einer optimistischen Stimmung«, sagt sein parlamentarischer Assistent

Boris Johnson: »Der Premierminister ist in einer optimistischen Stimmung«, sagt sein parlamentarischer Assistent

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Dan Kitwood / AFP

Trotz massiver Rücktrittsforderungen aus seiner eigenen Partei und Regierung hält der britische Premierminister Boris Johnson weiter an seinem Amt fest. »Der Premierminister ist in einer optimistischen Stimmung und wird weiterkämpfen«, sagte Johnsons parlamentarischer Assistent James Duddridge dem Sender Sky News am Mittwochabend .

Johnson habe bei der vergangenen Parlamentswahl das Mandat von 14 Millionen Wählern bekommen und »so viel zu tun für das Land«.

Zuvor hatte eine ganze Reihe von Kabinettsmitgliedern dem Premier nahegelegt, sein Amt aufzugeben. Am Mittwochabend empfing Johnson mehrere Ministerinnen und Minister, die ihn zum Rücktritt drängten. Das lehnte er ab und warnte vor Chaos und einer Niederlage für die konservativen Tories bei der nächsten Parlamentswahl.

Insgesamt traten binnen zwei Tagen mehr als 40 Abgeordnete aus Protest gegen Politik und Führungsstil des Premiers von ihren Regierungsämtern zurück, darunter Finanzminister Rishi Sunak und Gesundheitsminister Sajid Javid.

Am Mittwochabend folgte der für Wales zuständige Minister Simon Hart. In seinem Rücktrittsschreiben heißt es unter anderem:  »Die Kollegen haben privat und öffentlich ihr Bestes getan, um Ihnen dabei zu helfen, das Blatt zu wenden, aber ich fühle mit Trauer, dass wir den Punkt überschritten haben, an dem dies möglich ist.«

Generalstaatsanwältin Braverman fordert Johnsons Rücktritt

Chefjustiziarin Suella Braverman gehört zu einer Gruppe von Kabinettsmitgliedern, die dem Premier den Rücktritt nahelegten, ohne die eigenen Ämtern aufzugeben. Sie forderte am Mittwochabend in einem TV-Interview nicht nur Johnsons Rückzug, sondern bot sich auch gleich für dessen Nachfolge an. »Wenn es eine Wahl zum Parteichef gibt, werde ich mich bewerben«, sagte Braverman dem Sender ITV.

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Johnson feuert offenbar Wohnungsbauminister Gove

Derweil entließ Johnson offenbar seinen alten Weggefährten Michael Gove aus dem Kabinett. Das sagte James Duddridge dem Sender Sky News. Auch andere britische Medien, darunter die BBC  und der »Guardian«  berichteten von der Entlassung. Den Meldungen zufolge hatte Gove den Regierungschef zuvor zum Rücktritt aufgefordert.

Gove galt als eines der größten Schwergewichte im britischen Kabinett und als eine treibende Kraft hinter dem Brexit. Er hatte in den vergangenen Jahren verschiedene Posten in der Regierung inne. Zuletzt war der konservative Politiker als Minister für Bau- und Wohnung für Johnsons Plan zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Großbritannien zuständig. Gove kandidierte 2016 und 2019 für das Amt des Vorsitzenden der Konservativen, wurde beide Male aber nur Dritter.

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Für Johnson – der schon etliche Krisen ausgestanden hat und sein Amt stets behielt – könnte spätestens am kommenden Dienstag das Ende erreicht sein. Bis dahin will ein einflussreiches Komitee, das die Regeln für eine Abwahl des Tory-Parteichefs festlegt, den Weg für ein zweites Misstrauensvotum freimachen.

DER SPIEGEL

Johnson hatte erst vor einem Monat eine Misstrauensabstimmung in seiner Fraktion knapp überstanden. Den bisherigen Regeln der Tory-Partei zufolge darf für die Dauer von zwölf Monaten nach der Abstimmung kein neuer Versuch unternommen werden, den Vorsitzenden zu stürzen. Durch eine Regeländerung wäre aber bereits in der kommenden Woche ein neues Misstrauensvotum möglich.

Es gilt als wahrscheinlich, dass Johnson dieses Mal verlieren dürfte.

aar/dpa/Reuters
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