»Inakzeptabel und erniedrigend« Gefängnisinspektoren kritisieren Bedingungen in britischer Flüchtlingsaufnahme

Großbritannien setzt gegenüber Flüchtenden auf eine Politik der Abschreckung. Familien frieren nach der Ankunft in Zelten. Ein Bericht sieht bei Bedingungen in Aufnahmelagern nun »dringenden Handlungsbedarf«.
Die Nappier Baracken in Folkstone seien »unsicher und elend«, urteilte der High Court

Die Nappier Baracken in Folkstone seien »unsicher und elend«, urteilte der High Court

Foto: Dan Kitwood / Getty Images

Wer es über den Ärmelkanal geschafft hat, den erwarten in britischen Aufnahmelagern für Geflüchtete miserable Bedingungen. In einem jetzt veröffentlichten Bericht stellten die staatliche Gefängnisinspektion und unabhängige Beobachter fest, dass die Regierung die Bedingungen seit der jüngsten Überprüfung vergangenes Jahr nur »begrenzt« verbessert habe. Die Vorsitzende der unabhängigen Beobachter, Anne Owers, sagte, es bestehe »dringender Handlungsbedarf«.

Die Inspektoren hatten in den vergangenen drei Monaten mehrere Erstaufnahmelager und Abschiebezentren besucht. Bei einer früheren Inspektion im September 2020 hatten die Prüfer bereits festgestellt, dass diese Einrichtungen »schlecht ausgestattet sind, um ihren Zweck zu erfüllen«, erklärte der Chefinspektor für Gefängnisse, Charlie Taylor.

»Inakzeptabel und erniedrigend«

Das Innenministerium habe daraufhin »schnelle Maßnahmen« zur Verbesserung der Bedingungen zugesichert. Taylor stellte jedoch fest: »Trotz einiger begrenzter Fortschritte werden die Gefangenen, darunter auch eine große Zahl unbegleiteter Kinder, weiterhin sehr schlecht behandelt und müssen unter schlechten Bedingungen leben.« In vielen Erstaufnahme- und Abschiebezentren sind die Bedingungen dem Bericht zufolge »inakzeptabel und erniedrigend«, was wegen der Überforderung der Einrichtungen »unvermeidbar« sei.

So hätten die Inspektoren Fälle gefunden, in denen Familien mit kleinen Kindern mehr als 24 Stunden in Zelten verbringen müssen, bevor die Behörden sich um sie kümmern. Manchmal müssten die Ankömmlinge trotz Kälte in Doppeldeckerbussen schlafen. Die Inspektoren berichteten von »unzureichender Nachsorge« für mutmaßliche Opfer von Vergewaltigung und Menschenhandel. Verletzungen, die sich Flüchtende bei der gefährlichen Überfahrt über den Ärmelkanal zugezogen hatten, blieben unbehandelt.

Die Regierung von Premierminister Boris Johnson verfolgt eine Politik der Abschreckung gegen die Rekordzahl an Bootsflüchtlingen, die von Frankreich aus nach Großbritannien übersetzen. Als vergangenen Monat 27 Flüchtlinge bei der Überfahrt ertranken, sorgte Johnson für Empörung, indem er Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unmittelbar danach aufforderte, Geflüchtete zurücknehmen.

Johnson fordert von Frankreich und der EU regelmäßig, mehr gegen die illegale Migration nach England zu tun. Gleichzeitig ist es für die britische Regierung seit dem Brexit schwerer geworden, Geflüchtete in die EU abzuschieben.

muk/AFP
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