Unter Taliban in Gefahr Großbritannien nimmt Afghanen der LGBTQ-Bewegung auf

Afghanische Frauen demonstrieren in Kabul – mit einem Aufruf an die internationale Gemeinschaft
Foto: JAMES EDGAR / AFPNach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat Großbritannien erstmals 29 Afghan:innen wegen ihrer Zugehörigkeit zur LGBTQ-Gemeinschaft aufgenommen. Sie gehörten unter dem Regime der Islamisten zu den »am meisten gefährdeten Menschen in Afghanistan«, erklärte das britische Außenministerium am Samstag. »Viele von ihnen sehen sich einem erhöhten Maß an Verfolgung, Diskriminierung und Aggression ausgesetzt.«
Den Wortlaut der Erklärung des britischen Außenministeriums lesen Sie hier: UK Government helps LGBT Afghans start new life in Britain
Die Gruppe von 29 Afghanen, darunter Studenten und Aktivisten, die sich wiederholt für die Rechte von LGBTQ-Menschen eingesetzt haben, kam am Freitag in Großbritannien an, um »ein neues Leben zu beginnen«. Die Regierung kündigte an, dass in den kommenden Monaten wohl noch weitere Menschen der LGBTQ-Gemeinschaft nach Großbritannien kommen würden.
Die Taliban waren im August, rund 20 Jahre nach dem Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten, in Afghanistan wieder an die Macht gekommen. Obwohl die Islamisten zugesagt haben, die Rechte von Minderheiten und Frauen zu achten, mehren sich Berichte über Menschenrechtsverstöße.
Berichte über Vorladungen an ehemalige Ortskräfte
So beklagte Amnesty International im September gezielte Verletzungen von Menschenrechten durch die Taliban. Seit ihrer Machtergreifung seien die Islamisten dabei, die Errungenschaften der vergangenen 20 Jahre im Bereich der Menschenrechte zu demontieren, erklärte die Organisation. Dokumentiert seien sogar Tötungen von Zivilistinnen und Zivilisten und sich ergebenden Soldaten. Die Rechte von Frauen, die Meinungsfreiheit und die Zivilgesellschaft seien erneut eingeschränkt worden.
Der Amnesty-Bericht basiert auf Interviews mit Betroffenen und einer Auswertung von Fotos, Videos, Satellitenbildern und Medienberichten aus der Zeit nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August. Zeugen berichten von Anweisungen der Taliban an afghanische Journalisten, nur noch in Übereinstimmung mit islamischen Gesetzen zu berichten, und von Arbeitsverboten für Frauen.
Gefährdet sind weiterhin auch die ehemaligen Ortskräfte der aus Afghanistan abgezogenen Militärallianz. Die Taliban hatten zunächst versprochen, dass es eine Generalamnestie für alle geben würde, die mit den internationalen Streitkräften kollaboriert hätten. Doch Anfang Oktober berichtete der niederländische TV-Sender NOS von schriftlichen Vorladungen an ehemalige Ortskräfte. Sie sollten vor einem Tribunal erscheinen, dessen Ziel es sei, »Verrätern eine Lektion zu erteilen«.
Ein Gründungsmitglied der Taliban hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP angekündigt, es werde weiterhin Exekutionen und Handamputationen als Bestrafung geben. Mullah Nooruddin Turabi warnte andere Länder davor, sich in die neuen Regeln in Afghanistan einzumischen. »Alle haben uns für unsere Bestrafungen im Stadion kritisiert, aber wir haben nie etwas über ihre Bestrafungen gesagt«, erklärte er. Niemand werde ihnen ihre Gesetze vorschreiben. Die Taliban folgten dem Islam und würden ihre Regeln dementsprechend machen.
Bundesregierung holt weiter Schutzbedürftige aus dem Land
Auch die Bundeswehr musste bei ihrem Abzug viele Helfer und ihre Familien zurücklassen. Die Bundesregierung hat Ende September angekündigt, dass man in den folgenden Monaten versuchen werde, wöchentlich rund 200 Menschen über Pakistan aus dem Land zu holen. Dazu zählen neben den ehemaligen Ortskräften der Bundeswehr besonders Schutzbedürftige: Afghaninnen und Afghanen, die sich für die Demokratie vor Ort – zum Beispiel im Bereich der Wissenschafts- oder Kunstfreiheit – eingesetzt haben und mit einer deutschen Organisation verbunden sind. Ebenso zählen afghanische Helfer von deutschen Presse- und Medienorganisationen zu dieser Kategorie.