Ausschreitungen in Port-au-Prince Bandenkämpfe in Haiti bedrohen 1,5 Millionen Menschen

Eine Frau schützt sich Mitte Juli vor den Flammen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince, die seit der Ermordung des Präsidenten Moise vor einem Jahr nicht zur Ruhe kommt
Foto: Richard Pierrin / AFP
In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechende Ansätze für die Lösung globaler Probleme.
Es werden Menschen vermisst, verletzt, getötet: Seit der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse vor einem Jahr brechen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince immer wieder Unruhen aus, verursacht durch Bandengewalt. In den vergangenen fünf Tagen ist es erneut zu schweren Auseinandersetzungen gekommen, ein Stadtteil gilt seitdem als isoliert.
Berichten zufolge wurden mindestens 89 Menschen getötet. Weitere 16 Menschen werden vermisst, zudem gebe es 74 Verletzte, berichteten lokale Medien am Mittwoch unter Berufung auf die Menschenrechtsorganisation RNDDH . Mindestens 127 Häuser seien in Brand gesteckt oder zerstört worden.
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit , im Stadtteil Cité Soleil seien Tausende Menschen eingeschlossen, ihnen fehlten Trinkwasser, Nahrung und medizinische Versorgung. Krankenwagen könnten die Gegend teils nicht oder nur verspätet erreichen. Das örtliche Uno-Büro twitterte, insgesamt könnten sich in der Stadt 1,5 Millionen Menschen wegen Bandengewalt nicht mehr frei bewegen. Humanitären Helfern müsse sofort Zugang zu ihnen gewährt werden, um Nothilfe zu leisten.

Anhänger des ermordeten Präsidenten Moise fordern in Port-au-Prince am ersten Todestag Aufklärung des Todes und Gerechtigkeit
Foto: Odelyn Joseph / picture alliance / dpa / AP»Die Menschen haben weder Zugang zu Wasser noch zu Strom und Latrinen«
Seit vergangenem Freitag kämpfen in Cité Soleil – einer großen, dicht besiedelten Armensiedlung am Rande von Port-au-Prince – schwer bewaffnete Banden gegeneinander. Es geht vor allem um Territorialstreitigkeiten. Seit mehr als einem Jahr flammen diese Kämpfe im Großraum der Hauptstadt immer wieder auf, und verschlechtern die ohnehin schwierige Sicherheitslage in einem der ärmsten Länder des amerikanischen Kontinents.
La violence en #Haïti doit cesser pour garantir la libre circulation des personnes et l'accès aux services de base. Les #humanitaires peuvent aider les victimes des feux croisés. Les principes de #neutralité, #impartialité, #humanité doivent être respectés. @OCHAHaiti pic.twitter.com/hJCqOgHUJn
— Nations Unies Haïti (@UNHaiti) July 13, 2022
Tausende Menschen mussten ihr Zuhause bereits verlassen, es kam zu Versorgungsengpässen. Allein zwischen dem 24. April und dem 6. Mai kosteten Bandenkämpfe nach einem RNDDH-Bericht 191 Menschen das Leben, darunter acht Kinder.
Der Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen, Mumuza Muhind, sagte, man sei entlang der einzigen noch nach Brooklyn führenden Straße (ein Teil der Cité Soleil) auf Leichen gestoßen, die verwest oder verbrannt gewesen seien. »Die Menschen haben weder Zugang zu Wasser noch zu Strom und Latrinen, und medizinische Versorgung wird dringend benötigt«, sagte er. Ärzte ohne Grenzen rief die bewaffneten Gruppen auf, den Schutz der Zivilbevölkerung zu wahren und humanitären Organisationen zu ermöglichen, auf die dringenden Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren.
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft
Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.
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