Schwerste Schäden auf Haiti Fast 1300 Leichen nach Erdbeben geborgen – und es droht neue Gefahr

Die Zahl der Todesopfer nach dem Erdbeben auf Haiti steigt immer weiter. In den Krankenhäusern werden zudem Tausende Verletzte behandelt. Und nun nähert sich auch noch ein Tropensturm der Insel.
Ein Erdbebenopfer aus der Stadt Les Cayes wird am Flughafen der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince in einen Krankenwagen gebracht

Ein Erdbebenopfer aus der Stadt Les Cayes wird am Flughafen der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince in einen Krankenwagen gebracht

Foto: Fernando Llano / dpa

Das schwere Erdbeben in Haiti hat fast 1300 Menschen den Tod gebracht. 1297 Leichen seien mittlerweile geborgen worden, teilte die Katastrophenschutzbehörde am Sonntag mit, nachdem das Beben der Stärke 7,2 am Samstagmorgen den Karibikstaat heimgesucht hatte. Mehr als 5700 Menschen wurden verletzt. Die Suche nach Vermissten dauert an, deswegen ändern sich die Zahlen auch stetig.

Die Erschütterungen richteten schwerste Schäden an. Zahllose Gebäude stürzten ein, darunter ein mehrstöckiges Hotel in der Stadt Les Cayes, die sich in der Nähe des Epizentrums rund 160 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Port-au-Prince befindet. Die Rettungskräfte suchten in den Trümmern eingestürzter Gebäude nach Überlebenden und möglichen weiteren Opfern.

Bilder zeigen eingestürzte Wohnhäuser, Hotels, Schulen und Kirchen. Menschen seien darunter begraben, berichtete ein Augenzeuge aus Les Cayes, einer der größten Städte des Landes, dem Onlineportal »Haiti Press Network« . Mehrere Kinder wurden dem Bericht zufolge in einer Kirche getötet, als eine Taufe abgehalten wurde.

Nur wenige Krankenhäuser, die Sicherheitslage prekär

In der vom Beben betroffenen Region gibt es allerdings nur wenige Krankenhäuser. Das Gesundheitsministerium entsandte Personal und Medikamente, doch wurden die Hilfseinsätze durch die prekäre Sicherheitslage in Haiti erschwert.

Die einzige Straßenverbindung in die Katastrophenregion führt durch das Armenviertel Martissant von Port-au-Prince, wo Anfang Juni kriminelle Banden die Kontrolle übernommen hatten.

Zerstörte Kirche in Les Cayes

Zerstörte Kirche in Les Cayes

Foto: REGINALD LOUISSAINT JR / AFP

Das ganze Ausmaß der Zerstörung wird sich wohl erst im Laufe der Bergungsarbeiten in den nächsten Tagen zeigen. »Eins ist ganz klar, wir befinden uns inmitten einer humanitären Notlage«, sagte Leila Bourahla, Landesdirektorin der Kinderhilfsorganisation »Save the Children« in Haiti.

Haitis Regierungschef Ariel Henry verschaffte sich per Hubschrauber einen Überblick über die Lage. Er rief einen einmonatigen Ausnahmezustand in den vier von dem Beben betroffenen Verwaltungsbezirken aus und appellierte an die Bevölkerung, »Solidarität zu zeigen«.

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Schon naht auch die nächste mögliche Gefahr: Tropensturm »Grace« ist in Richtung Haiti unterwegs. Die Rettungsarbeiten könnten dadurch zusätzlich behindert werden. Nach Angaben des US-Wetterdienstes sollte »Grace« am Montag Haiti erreichen und für schwere Regenfälle und Sturzfluten sorgen.

»Er könnte die gleichen Gegenden treffen, die vom Erdbeben getroffen wurden«, warnte das Internationale Rote Kreuz, das bei Such- und Rettungsarbeiten in der besonders betroffenen Region im Einsatz ist.

Die USA boten Soforthilfe an. Es mache ihn »traurig«, dass Haiti in einer ohnehin schwierigen Zeit von einem Erdbeben getroffen worden sei, erklärte Präsident Joe Biden. Nach seinen Angaben wollen die USA bei der Bergung von Verletzten und dem Wiederaufbau helfen. Auch mehrere lateinamerikanische Staaten sowie Spanien stellten rasche Hilfen in Aussicht.

Mehr als 250 kubanische Ärzte, die dem Land bereits im Kampf gegen das Coronavirus beistehen, bereiteten ein Covid-Krankenhaus in Port-au-Prince für die Behandlung schwer verletzter Opfer vor. Internationale Hilfsorganisationen, darunter I.S.A.R. Germany und der Bundesverband Rettungshunde, kündigten ebenfalls Unterstützung an.

Tennisprofi will Einnahmen spenden

Die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka, deren Vater Haitianer ist, kündigte an, ihre Einnahmen aus einem bevorstehenden Turnier in Cincinnati für die Erdbebenhilfe zu spenden. »Es tut wirklich weh, all die derzeit in Haiti angerichtete Zerstörung zu sehen«, schrieb sie auf Twitter.

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Das Erdbeben war sogar noch etwas stärker als das Beben im Januar 2010, bei dem in Haiti mehr als 200.000 Menschen ums Leben gekommen waren. Rund 1,5 Millionen Menschen wurden damals obdachlos.

Haiti – der ärmste Staat der Region – hat sich bis heute nicht von den Folgen des damaligen Bebens erholt. Darüber hinaus wird das Land regelmäßig von Wirbelstürmen heimgesucht. Die Region im Süden Haitis, in der das Zentrum des neuen Bebens liegt, wurde 2016 von Hurrikan Matthew schwer getroffen. Mehr als 500 Menschen starben damals.

Noch tiefer in die Krise rutschte Haiti durch die Coronapandemie, die Zunahme der Bandenkriminalität – und zuletzt durch die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse Anfang Juli.

kfr/jok/dpa/AFP
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