Außenminister Maas in der Ukraine Mission Frieden

Außenminister Heiko Maas besucht die Ukraine - seit vier Wochen hält ein Waffenstillstand im Osten des Landes, die Hoffnung auf Frieden wächst. Doch andere Krisen in Europa überschatten Maas' Reise.
Aus Kiew berichtet Severin Weiland
Außenminister Heiko Maas (SPD) mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba in Kiew

Außenminister Heiko Maas (SPD) mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba in Kiew

Foto: Valentin Ogirenko / AP

Moskau, St. Petersburg, Beirut, Libyen, Vereinigte Arabische Emirate, Slowakei: Heiko Maas (SPD) reiht derzeit einen Kurzbesuch an den nächsten. Der Außenminister tut, was zwischenzeitlich wegen der Corona-Pandemie nur schwer möglich war. Er trifft sich persönlich mit Amtskollegen. Station am Montag: Kiew, Treffen mit Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine.

Maas und Kuleba legen zu Beginn des Besuchs Blumen an einer meterlangen Gedenktafel für die Gefallenen des Donbass-Krieges ab. Die Toten sind auf kleinen Fotos zu sehen. Deutschland, sagt Maas am ukrainischen Unabhängigkeitstag in Kiew, stehe als "Freund und Partner fest an eurer Seite".

Seit sechs Jahren herrscht im Osten der Ukraine Krieg, Truppen der Regierung kämpfen gegen prorussische Separatisten. Der Friedensplan aus dem Abkommen von Minsk, auf das sich 2015 die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine verständigten, harrt immer noch seiner Umsetzung.

Frieden in der Ukraine zu schaffen, daran sind schon Maas' Amtsvorgänger Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel gescheitert. Bis auf gelegentliche Feuerpausen ist nicht viel herausgekommen.

Mögliches Treffen im September in Paris

Nun gibt es wieder einmal einen Waffenstillstand, der offenbar seit 29 Tagen hält - länger als bei den anderen Feuerpausen zuvor. Hoffnung keimt auf, dass daraus mehr werden könnte. Maas besucht in Kiew deshalb nicht nur den Außenminister, sondern auch Premierminister Denys Schmyhal und Präsident Wolodymyr Selenskyj. Zudem trifft er Vertreter der OSZE, die die Kampflinie als Beobachter überwachen.

Im Frühjahr hatten die Außenminister im sogenannten Normandie-Format - Deutschland, Frankreich, Ukraine und Russland - per Videoschalte gesprochen, organisiert von Berlin aus. Nun wird an einem persönlichen Treffen der Außenminister in der zweiten Septemberhälfte in Paris gearbeitet. Noch steht die Zusammenkunft nicht eindeutig fest, wie Maas in Kiew deutlich macht. Man werde sich sicherlich nicht treffen, um zu bestätigen, was man auf dem Pariser Treffen zur Ukraine Anfang Dezember 2019 vereinbart habe:

  • einen Waffenstillstand

  • einen Kontrollmechanismus für dessen Umsetzung

  • eine Entflechtung der Truppen

  • Entminung

  • weitere Übergangspunkte an der Demarkationslinie

Solange diese Punkte nicht abgearbeitet sind - oder zumindest damit begonnen wurde -, ist aus Berliner Sicht ein weiteres Treffen kaum sinnvoll.

In Paris stünden die schwierigsten Themen auf der Agenda, etwa Wahlen in der Ostukraine. "Ich kenne die Lösung noch nicht", sagt Maas bei einer Pressekonferenz. So seien etwa die Abläufe der Abstimmung nicht abschließend geklärt. Dennoch spricht er von "substanziellen Fortschritten".

Auch unter der Regierung in Kiew herrscht offenbar vorsichtiger Optimismus. Kuleba sagt, dass seit dem Beginn der jüngsten Waffenruhe es "keinen Gefallenen, keinen Verletzten" aufseiten seines Landes mehr gegeben habe. Der Schlüssel für die "Beendigung der Aggressionen" gegen sein Land liege in Moskau. In jüngster Zeit habe es "einige positive Schritte Russlands" gegeben.

Selenskyj gab sich zuvor in seiner Rede zum Unabhängigkeitstag ebenfalls zuversichtlich. "Heute ist der 29. Tag ohne Verluste im Kampfgebiet im Osten der Ukraine." Es sei ein guter Morgen, wenn es keine Nachrichten über Tote und Verwundete gebe. "Mögen Tage der Stille zu Monaten, Jahren, Jahrhunderten und später Jahrtausenden werden."

Der Blick richtet sich nach Belarus

Nicht nur der Konflikt in der Ostukraine bestimmt die Agenda bei Maas' Abstecher nach Kiew. Seine Wagenkolonne fährt im Zentrum der Stadt an einer Demonstration zum Unabhängigkeitstag vorbei. Mehrere Tausend Menschen sind gekommen.

Das Geschehen lenkt den Blick auf den Nachbarstaat Belarus. Dort haben Hunderttausende am Wochenende in der Hauptstadt Minsk und weiteren Städten friedlich gegen Machthaber Alexander Lukaschenko demonstriert. Maas sagt in Kiew, Lukaschenko müsse die "Realität auf den Straßen seines Landes und in den Köpfen der Menschen anerkennen". Sein Amtskollege Kuleba ergänzt, man wünsche sich ein "unabhängiges und demokratisches" Belarus. Wer dort an der Spitze stehe, sei erst "eine zweite Frage".

Deutlich wird die Sorge vor einer Eskalation in Belarus und einer russischen Intervention. Erst vergangene Woche hatte sich der EU-Rat der Staats- und Regierungschefs auf Sanktionen verständigt, unter anderem lehnen sie die Anerkennung der jüngsten Wahlen in Belarus ab (mehr über die Sanktionen lesen Sie hier). Zugleich versucht die EU, direkte Konfrontation mit Moskau zu vermeiden - bis heute wird der Umsturz in der Ukraine 2014 von Russland als Werk des Westens gesehen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Moskau ein Interesse hat, in Belarus einzugreifen, solange das Land sich nicht in Richtung EU und Nato orientiert.

Ob die heutigen Proteste in Belarus mit jenen in der Ukraine 2014 vergleichbar seien, wird der ukrainische Außenminister auf der Pressekonferenz in Kiew gefragt. Kuleba verneint. Hilfe aus dem Westen habe die Ukraine erst nach dem Sieg auf dem Maidan erfahren - als "wir das Assoziierungsabkommen mit der EU abgeschlossen haben".

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Maas steht unterdessen auf seiner Reise die nächste Aufgabe bevor. Es geht nach Athen, danach nach Ankara. Im östlichen Mittelmeer hat sich in den vergangenen Wochen eine gefährliche Lage aufgeschaukelt, nachdem die Türkei ein Erprobungsschiff für Gasbohrungen in eine Region entsandt hat, die Griechenland beansprucht.

Maas will ausloten, ob die beiden Nato-Mitglieder bereit sind, in einen Dialog einzutreten. Die Türkei müsste dafür Probebohrungen für die Dauer der Gespräche stoppen, die Griechen keine Schiffe entsenden, heißt es in diplomatischen Kreisen.

Die nächste Krise wartet also auf den deutschen Außenminister.

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