Heiratsmarkt der Roma Der Preis hängt davon ab, wie lang ihr Haar ist

Wie vor Hunderten von Jahren setzen die Roma vom Stamm der Kalaidzhi in Bulgarien auf traditionelle Brautmärkte. Die Regeln sind streng patriarchal. Die Wichtigste: Die Frau muss Jungfrau sein.
Von Nicola Abé und Giuseppe Nucci (Fotos)
Brautmarkt in Stara Zagora: Eine Kalaidzhi-Familie sucht nach Ehemännern für die beiden Töchter

Brautmarkt in Stara Zagora: Eine Kalaidzhi-Familie sucht nach Ehemännern für die beiden Töchter

Foto: Giuseppe Nucci
Globale Gesellschaft

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Für junge Frauen und Männer ist es so ziemlich die einzige Möglichkeit, einander kennenzulernen: Die Roma der Untergruppe Kalaidzhi setzen auf traditionelle Brautmärkte zur Zusammenführung von Paaren – wie vor Hunderten von Jahren.

Die Regeln sind weniger romantisch als strikt patriarchal: Der zukünftige Ehemann und seine Familie wählen eine junge Frau aus, für die ein Preis verhandelt wird. Dieser hängt davon ab, wie alt sie ist, wie lang ihr Haar ist und wie hell ihre Haut. Das wichtigste Merkmal aber: Sie muss Jungfrau sein.

Junge Kalaidzhi-Frauen machen sich für eine Hochzeitsfeier zurecht

Junge Kalaidzhi-Frauen machen sich für eine Hochzeitsfeier zurecht

Foto: Giuseppe Nucci

Zum Stamm der Kalaidzhi gehören rund 18.000 Menschen. Sie leben in Bulgarien, wo sie auf vielfache Weise diskriminiert werden. Viele pendeln nach Deutschland oder Großbritannien, um dort in Schlachthäusern oder am Fließband zu arbeiten. Die Kalaidzhi leben von der Mehrheitsgesellschaft weitgehend abgeschieden und heiraten meist untereinander.

Die Brautmärkte finden mehrmals im Jahr statt. Manche der dort ausgeübten Traditionen erinnerten den Fotografen Giuseppe Nucci an die Geschichten über seine eigenen Vorfahren in Italien – etwa das blutige Taschentuch, das nach der Hochzeitsnacht zum Beweis der vorehelichen Keuschheit der Braut präsentiert wird.

Nucci wollte mehr erfahren und reiste viermal zu einem Brautmarkt auf einem Busparkplatz in der bulgarischen Region Thrakien. Es gelang ihm, mehrere Familien zu begleiten. »Sie sind sehr stolz auf ihre Traditionen und auf den Brautmarkt«, sagt Nucci.

Erfahren Sie in der Fotostrecke mehr über den Brautmarkt in Bulgarien:

Fotostrecke

Zwischen 500 und 15.000 Euro für eine Braut

Foto: Giuseppe Nucci

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16 Bilder Zwischen 500 und 15.000 Euro für eine Braut
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Ani, Maria und Maria, drei noch minderjährige Kalaidzhi-Frauen, posieren für ein Foto vor dem Batschkowo-Kloster in der Region um die Stadt Plowdiw am Abend vor dem christlichen Feiertag der Himmelfahrt der Jungfrau Maria. Der Ort und der Tag werden traditionell dafür genutzt, dass sich junge Frauen und Männer kennenlernen können – unter der Aufsicht ihrer Eltern.

Foto: Giuseppe Nucci
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Auf dem Brautmarkt in Stara Zagora feiert ein frisch verheiratetes Paar. Während des Tanzes auf einem Autodach wird von der Schwiegermutter ein blutiges Taschentuch präsentiert, zum Beweis, dass die Braut vor der Ehe keusch war. Die junge Frau kommt aus einem nahe gelegenen Dorf und ist die Cousine des Bräutigams. Die Familie des Ehemanns gibt an, 17.000 Lew (rund 8600 Euro) für sie bezahlt zu haben.

Foto: Giuseppe Nucci
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Im Roma-Viertel der Stadt Plowdiw suchen sich junge Frauen Abendkleider für die Brautschau aus. Der Heiratsmarkt findet mehrmals im Jahr statt und ist für viele junge Kalaidzhi die einzige Möglichkeit, Männer kennenzulernen. Die Kleider sind meist gebraucht und kosten zwischen 30 und 130 Euro.

Foto: Giuseppe Nucci
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Eine Gruppe junger Männer wartet auf dem Busparkplatz in Stara Zagora, wo der Brautmarkt stattfinden soll. Sie sind zwischen elf und 19 Jahre alt. Die jungen Männer zeigen dort ihre Reichtümer, etwa deutsche Autos der Marke BMW oder Mercedes und Goldketten. Viele pendeln zum Arbeiten nach Deutschland oder Großbritannien.

Foto: Giuseppe Nucci
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Die jungen Kalaidzhi-Frauen präsentieren sich den potenziellen Ehemännern in Begleitung ihrer Mütter, die auf sie aufpassen. Die jungen Kalaidzhi nutzen Smartphones und Facebook. Einige kleiden sich modern und westlich. Die Regeln auf dem Brautmarkt bleiben die alten: Der Preis einer Braut hängt von ihrem Alter, der Länge der Haare und dem Ton der Haut ab. Das wichtigste Merkmal: Sie muss Jungfrau sein.

Foto: Giuseppe Nucci
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Nona, eine 17-jährige Kalaidzhi-Frau, hat ihren Freund vor zwei Jahren auf dem Brautmarkt in Stara Zagora kennengelernt. Ihre Eltern haben ihr nun erlaubt, mit ihm über Facebook Nachrichten auszutauschen.

Foto: Giuseppe Nucci
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Donka, ihr Mann Kroum und ihr Sohn Doytchin wachen auf einem Feld in der Gegend um Plowdiw auf, wo sie die Nacht verbracht haben. Die beiden lernten sich einst auf dem Brautmarkt kennen. Den Sommer über ziehen sie in Bulgarien von Dorf zu Dorf auf der Suche nach Gelegenheitsjobs – ein Nomadenleben wie in den alten Zeiten. Kalaidzhi bedeutet Bastler oder Kesselflicker.

Foto: Giuseppe Nucci
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Zum Abendessen gibt es bei Donka und ihrem Mann gegrilltes Igelfleisch. Die Familie gehört zu den ärmsten unter den Roma.

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Die Familie hat einen Hund, der dabei hilft, die Igel zu jagen. Später wird das Fleisch über einem offenen Feuer geröstet.

Foto: Giuseppe Nucci
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Auch Nonka gehört zur Familie von Donka und Kroum. Sie hat mit 15 Jahren geheiratet und neun Kinder geboren. Frauen sind bei den Kalaidzhi für Hausarbeit und Kinderbetreuung zuständig. Viele Männer vergleichen Heiraten mit dem Kauf eines Tieres, etwa eines Pferdes.

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Georgi und Maria sind seit vielen Jahren ein Paar. Allerdings hat Georgi nicht für Maria bezahlt. Als junge Frau wurde sie damals in eine Falle gelockt: Georgi und seine Freunde entführten sie. Nachdem sie einige Stunden außerhalb der Aufsicht ihrer Familie verbracht hatte, galt sie als unkeusch und war damit auf dem Brautmarkt nichts mehr wert.

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Im Inneren eines Kalaidzhi-Hauses. Die Untergruppe der Roma ist christlichen Glaubens und sehr stolz auf ihre alten Traditionen. Von der Mehrheitsgesellschaft leben sie weitgehend abgeschieden.

Foto: Giuseppe Nucci
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Im Hof eines Kalaidzhi-Hauses in der Region um Plowdiw. Der zukünftige Ehemann muss der Familie der Braut einen Preis zahlen. Der Vertrag wird traditionellerweise besiegelt, indem er dem Vater der Braut die Hand küsst. Für viele Kalaidzhi-Familien ist die Heirat einer Tochter eine der wenigen Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Dem Fotografen wurden Preise bis zu 15.000 Euro genannt.

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Maria, 17, macht sich für die Hochzeit ihrer Cousine Rossita fertig. Sie erwartet an diesem Abend selbst einen Heiratsantrag. Viele Kalaidzhi-Frauen heiraten so jung, dass sie nicht einmal die in Bulgarien vorgeschriebenen zwölf Schuljahre absolvieren. Die Heirat ist weder nach dem bulgarischen Gesetz noch von der Kirche anerkannt. Die Hochzeit von unter 18-Jährigen bedarf in Bulgarien einer offiziellen Genehmigung.

Foto: Giuseppe Nucci
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Die letzten Hochzeitsvorbereitungen: Während das Brautkleid präsentiert wird, tanzt die Familie im Hof.

Foto: Giuseppe Nucci
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Lila und Rossita feiern Hochzeit. Die Familie des Bräutigams gibt an, 1000 Lew (rund 500 Euro) für Rossita bezahlt zu haben. Der Preis ist niedrig. Denn die Braut ist bereits vom zukünftigen Ehemann schwanger, wie der rote Gürtel um ihren Bauch anzeigt.

Foto: Giuseppe Nucci
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