Nach Razzien und Festnahmen Hongkonger Nachrichtenportal »Stand News« stellt Arbeit ein

Hongkong: Mitarbeiter der prodemokratischen Publikation »Stand News« vor den Kameras anderer Journalisten
Foto: MIGUEL CANDELA / EPAHongkong verliert ein weiteres prodemokratisches Medium. Nach der Festnahme mehrerer Mitarbeiter und der Durchsuchung der Redaktionsräume stellt die Onlinepublikation »Stand News« ihr Erscheinen ein. Chefredakteur Lam Shiu sei zurückgetreten, alle Beschäftigten seien entlassen worden, teilte die Nachrichtenseite auf ihrer Facebook-Seite mit. Die Website und ihre Konten in den Onlinenetzwerken würden nicht mehr aktualisiert und bald vollständig entfernt.
Mehr als zweihundert Polizisten hatten am Morgen mit richterlicher Genehmigung die Redaktion des unabhängigen Mediums sowie die Wohnungen mehrerer Redakteure durchsucht. Laut »Stand News« wurden sechs aktuelle und ehemalige Mitarbeiter festgenommen. Ihnen wird laut Polizei Verschwörung zum Aufruhr vorgeworfen.
Unter den Festgenommenen sind Berichten zufolge neben dem derzeitigen Chefredakteur Lam Shiu und dessen Vorgänger Chung Pui auch vier ehemalige Mitglieder des Aufsichtsrats. In einem auf der Facebook-Seite der Organisation live gestreamten Video war zu sehen, wie Polizisten am frühen Morgen vor der Tür des Redakteurs Ronson Chan standen. Sie teilten ihm mit, es gebe einen Durchsuchungsbeschluss wegen »Verschwörung zur Veröffentlichung einer aufrührerischen Publikation«.
Die Rechtsgrundlage dieser Vorwürfe stammt noch aus der Zeit, als Hongkong eine britische Kolonie war. Chan, Vorsitzender der Hongkonger Journalistenvereinigung, wurde nicht festgenommen.
Bereits das zweite Medienunternehmen im Visier der Justiz
Die Hongkonger Behörden hatten »Stand News« zuvor wiederholt kritisiert. So beschuldigte der Chef der Sicherheitsbehörden, Chris Tang, die Seite kürzlich, »voreingenommene, verleumderische und dämonisierende« Berichte über die Haftbedingungen in Hongkong zu veröffentlichen.
»Stand News« ist nach der prodemokratischen Zeitung »Apple Daily« das zweite Medienunternehmen in Hongkong, das ins Visier der Justiz geraten ist. Im Juni war das Blatt zwangsweise eingestellt worden, nachdem es wegen angeblicher Verstöße gegen das sogenannte Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten war. Jimmy Lai, Gründer der Zeitung, sitzt im Gefängnis.
Das sogenannte Sicherheitsgesetz trat 2020 in Kraft. Es erlaubt den Behörden, drakonisch gegen alle Aktivitäten vorzugehen, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Dies bietet den Behörden nahezu vollständigen Handlungsspielraum. Unter anderem sind dadurch Einsätze gegen Aktivitäten gedeckt, die China als Aufrufe zur Abspaltung, Subversion, geheimen Absprachen mit ausländischen Kräften und Terrorismus wertet.
Kritik vom Auswärtigen Amt
Die deutsche Bundesregierung verurteilte die Verhaftung von Mitarbeitern des Medienportals als harten Schlag gegen die Demokratiebewegung in Hongkong. »Die Vorgänge illustrieren aus unserer Sicht aufs Neue, dass es eine stetige Erosion gibt von Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong – insbesondere seit Inkrafttreten dieses nationalen Sicherheitsgesetzes«, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes.
Das Sicherheitsgesetz und auch andere Bestimmungen würden »willkürlich und selektiv angewandt«, um gegen kritische Stimmen vorzugehen. »Aus unserer Sicht ist ganz klar, dass kritischer Journalismus nicht unter Generalverdacht gestellt werden darf«, sagte die Sprecherin.
In Hongkong hatte es 2019 monatelang Massenproteste gegen den wachsenden Einfluss Pekings gegeben. Seitdem gehen die Behörden mit zunehmender Härte gegen Kritiker in der Sonderverwaltungszone vor.