Die Rangelei im Plenarsaal von Hongkong am Montag ist bereits die zweite innerhalb von zehn Tagen. Wie die chinesische Sonderverwaltungszone insgesamt ist auch das Parlament gespalten: in Abgeordnete auf der Linie Chinas und solche, die Pekings Einfluss kritisieren. Auslöser der Rauferei: Ein pro-chinesischer Abgeordneter war zum Vorsitzenden eines Ausschusses gewählt worden, der Gesetze überprüft und zur zweiten Lesung freigibt. Die Opposition erkennt die Besetzung dieser Schlüsselposition aus formalen Gründen nicht an. Die Regierung wiederum wirft der Opposition vor, per Verzögerungstaktik die Gesetzgebung im Parlament zu lähmen. Mehrere Oppositionspolitiker versuchten offenbar, ans Rednerpult zu gelangen und wurden aus dem Saal gebracht.
Dennis Kwok, Oppositioneller Abgeordneter
"Die Realität in Hong Kong heute ist: Sobald Peking, (die Regierungschefin) Carrie Lam oder das Establishment etwas nicht gefällt, werden sie alles dagegen unternehmen und dafür auch gegen unsere Regeln verstoßen. Das gilt auch für den Grundsatz "ein Land, zwei Systeme", für grundlegende Gesetze und für die Geschäftsordnung. Sie werden sie verdrehen und zerreißen und alles niederbrennen, was ihnen im Weg steht. Der Preis der Freiheit ist andauernde Wachsamkeit."
Die Sonderverwaltungszone Hongkong genießt ein hohes Maß an Autonomie. Im vergangenen Jahr gab es in der Metropole monatelange Massenproteste gegen einen stärkeren Einfluss Pekings. Auslöser war ein umstrittenes Auslieferungsgesetz. Vergangene Woche wurde der erste Aktivist wegen der Teilnahme an den Krawallen verurteilt - der 21-Jährige muss vier Jahre ins Gefängnis. Hunderte Strafverfahren laufen noch, im April wurden 15 teilweise bekannte Aktivisten festgenommen. Die antichinesischen Proteste in Hongkong sind wegen der Coronakrise weitgehend abgeflaut. Angesichts sinkender Fallzahlen wird jedoch erwartet, dass die Opposition bald wieder auf die Straße geht – Anlass ist wieder ein Gesetz: Dies seht vor, dass der Missbrauch der chinesischen Nationalhymne unter Strafe gestellt wird. Es wird erwartet, dass der Ausschussvorsitzende die Lesung für den 27. Mai ansetzt. In den sozialen Medien rufen Oppositionsaktivisten für diesen Tag zu hongkongweiten Demonstrationen auf.