Umstrittener Generalmajor Interpol wählt Raisi trotz Foltervorwürfen zu neuem Chef

Interpol hat sich auf einen neuen Präsidenten verständigt, einen Major aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Kritiker werfen ihm daheim eine »Folterpolitik« vor. Die Emirate gehören zu den größten Geldgebern von Interpol.
General Naser al-Raisi bei der Interpol-Generalversammlung

General Naser al-Raisi bei der Interpol-Generalversammlung

Foto: OZAN KOSE / AFP

Trotz Foltervorwürfen hat die internationale Polizeiorganisation Interpol einen Generalmajor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ahmed al-Raisi, zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Raisi war bislang Generalinspekteur beim dortigen Innenministerium. Bei einer Vollversammlung der 195 Interpol-Mitgliedsstaaten in Istanbul bekam er am Donnerstag die erforderliche Mehrheit für eine vierjährige Amtszeit, wie die Organisation mitteilte.

Aus Sicht von Kritikern steht Raisi für einen aggressiven Sicherheitsapparat, in dem Menschen mit kritischer Haltung gegenüber der Regierung willkürlich festgenommen oder gar gefoltert werden . In mindestens fünf Ländern wurden gegen ihn im Zusammenhang mit Foltervorwürfen Klagen eingereicht. In der Türkei haben Anwälte im Namen des Golfzentrums für Menschenrechte Anzeige gestellt. Es gebe klare Beweise, dass er für »Folterpolitik« gegen politische Gegner verantwortlich sei, heißt es in der Anzeige.

Die Emirate hatten schon 2015 mit Spenden an Interpol im großen Stil begonnen und die Frage aufgeworfen, ob das Land sich damit Einfluss erkaufen wolle. Die Organisation mit Sitz in Lyon lebt von den Beiträgen der 195 Mitgliedstaaten. Die Emirate sind nach den USA der zweitgrößte Beitragszahler.

Je mehr Geld, desto mehr Einfluss

»Interpol ist eine völlig autonome transnationale Organisation, die keiner anderen Behörde als ihr selbst zu Rechenschaft verpflichtet ist«, sagt James Sheptycki, Professor für Kriminologie an der York University in Toronto. Die interne Politik der Organisation sei sehr undurchsichtig. »Es ist jedoch klar, dass die Mitglieder, die am meisten Geld und Aufwand investieren, auch am meisten Einfluss haben.«

Interpol wählt regulär alle vier Jahre einen neuen Chef – und hat schon öfter im Zusammenhang mit autoritären Mitgliedstaaten irritiert. Ihr erster chinesischer Präsident, Meng Hongwei, wurde 2018 verhaftet und 2020 wegen Korruption verurteilt. Im Oktober dieses Jahres hat die Organisation nach mehrjähriger Suspendierung erneut Syrien in ihr Kommunikationsnetz aufgenommen – zum Entsetzen vieler syrischer Oppositioneller im Exil.

Der Präsidentenposten gilt weitgehend als symbolische Rolle. Die wichtigsten Entscheidungen bei Interpol fällt die Generalversammlung aus Vertretern der Mitgliedstaaten. Die tägliche Arbeit am Dienstort im französischen Lyon leitet der Generalsekretär. Diesen Posten übernahm 2014 der Deutsche Jürgen Stock. Im Oktober 2019 wurde er für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt.

mrc/dpa/AFP
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