Wegen Mord und »Verdorbenheit auf Erden« Iran richtet zwei Teilnehmer der Protestbewegung hin

Angeblich hatten sie bei einer Demonstration einen Sicherheitsbeamten getötet. Damit steigt die Zahl der in Zusammenhang mit den Protesten in Iran hingerichteten Menschen auf mindestens vier.
Protest gegen die Todesstrafe in Iran am 17. Dezember in London, England

Protest gegen die Todesstrafe in Iran am 17. Dezember in London, England

Foto: Vuk Valcic / ZUMA Wire / IMAGO

In Iran sind am Samstag zwei Männer hingerichtet worden, die an der Protestbewegung gegen die Führung des Landes teilgenommen hatten. Angeblich hatten sie einen Angehörigen der Sicherheitskräfte getötet. Es handelt sich nach Angaben der Justiz um Mohammad Mehdi Karami und Seyyed Mohammad Hosseini.

Mohammad Mehdi Karami war Karate-Champion. Bilder auf Twitter zeigen Urkunden und nationale wie internationale Medaillen. Schon bei seiner Festnahme sollen Sicherheitskräfte Karami so brutal zugerichtet haben, dass sie den bewusstlosen Mann zunächst für tot hielten und liegen ließen, berichtete die Aktivistengruppe 1005tasvir. Im Gefängnis selbst soll Karami gefoltert worden sein, auch Vergewaltigung wurde ihm angeblich angedroht.

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Seyyed Mohammad Hosseini soll 39 Jahre alt gewesen sein und als Kampfsportlehrer sozial benachteiligte Kinder unterrichtet haben. Als Angestellter auf einer Geflügelfarm verdiente er selbst angeblich nur wenig. Sein Anwalt erklärte laut der in London ansässigen Nachrichtenseite IranWire, Hosseini sei in Haft schwer misshandelt worden.

Die beiden wurden gerade erst in einem SPIEGEL-Artikel vorgestellt, neben anderen Menschen, denen die Hinrichtung droht oder deren Todesurteile bereits verkündet wurden. Ihre Geschichten stehen für die vielen anderen, unbekannten Opfer des Regimes. Lesen Sie den Text hier .

Sie seien »die Haupttäter des Verbrechens, das zum ungerechten Martyrium von Ruhollah Adschamian geführt hat«, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf die Justiz. Sie seien am Morgen gehenkt worden. Wegen des Todes von Adschamian, eines Mitglieds der Basidsch-Miliz, wurden drei weitere Menschen zum Tode verurteilt. Elf Angeklagte erhielten Haftstrafen.

Die Gerichte erlauben es den Angeklagten nicht, ihre eigenen Anwälte zu wählen oder gar die Beweise gegen sie einzusehen. Amnesty International hat erklärt, die Prozesse hätten »keine Ähnlichkeit mit einem sinnvollen Gerichtsverfahren«.

Womöglich droht hundert weiteren die Todesstrafe

Das Staatsfernsehen strahlte Aufnahmen von Karami und Hosseini aus, die über den Angriff sprachen. Aktivisten bezeichneten das später als erzwungene Geständnisse. Die Männer wurden wegen Mordes sowie der »Verdorbenheit auf Erden« verurteilt, ein Begriff aus dem Koran und eine Anklage, die in den Jahrzehnten seit der Islamischen Revolution von 1979 auch gegen andere Personen erhoben wurde und auf die die Todesstrafe steht.

Bereits im Dezember waren zwei Demonstranten im Zusammenhang mit den im September ausgebrochenen Protesten hingerichtet worden. Nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) dürfte die Dunkelziffer noch höher liegen, zudem drohe mindestens hundert weiteren Demonstrierenden die Todesstrafe.

Die Basidsch-Miliz ist eine paramilitärische Freiwilligeneinheit und den mächtigen Revolutionsgarden zugeteilt. Sie spielt bei dem massiven Vorgehen gegen Demonstrantinnen und Demonstranten eine wichtige Rolle.

Entzündet hatten sich die Proteste am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini . Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam unter umstrittenen Umständen gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Inzwischen haben sich die Proteste zur größten Herausforderung für die Führung seit 1979 ausgewachsen. Damals wurde im Zuge der Islamischen Revolution der Schah gestürzt, und die Islamische Republik wurde ausgerufen.

mgo/AP/Reuters
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