Brand in Gefängnis Irans Behörden melden vier Tote – und bestreiten Zusammenhang mit landesweiten Protesten

Ein Bild der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zeigt Schäden, die durch ein Feuer vor dem Gebäude des Evin-Gefängnisses im Nordwesten der iranischen Hauptstadt Teheran entstanden sein sollen
Foto: AFPNach dem Brand im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran hat die staatliche Nachrichtenagentur Irna vier Todesfälle als Folge von Rauchvergiftungen gemeldet. 61 weitere Menschen seien bei dem Brand am Samstag verletzt worden, vier davon schwer. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Menschenrechtsorganisationen und Kritiker hatten bereits in der Nacht Opfer in der Haftanstalt befürchtet.
Augenzeugen berichteten, dass am Samstagabend zunächst laute Explosionen und auch Schüsse in der Haftanstalt zu hören gewesen seien. Ein von der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights veröffentlichtes Video zeigte Flammen und Rauch über dem Gefängnis.
#BREAKING: Tehran’s #Evin prison is on fire. Sirens and gunshots are heard. #مهسا_امینی #MahsaAmini
— Iran Human Rights (IHR NGO) (@IHRights) October 15, 2022
pic.twitter.com/6dmj6xkdZ7
Auf tausendfach in den sozialen Medien geteilten Videos waren chaotische Bilder rund um die berüchtigte Haftanstalt zu sehen, es kam zu Staus und systemkritischen Protesten, bei denen immer wieder Slogans wie »Tod dem Diktator« zu hören waren. Laut der Denkfabrik Institute for the Study of War demonstrierten in mindestens 22 Städten in 16 Provinzen erneut Menschen gegen die Regierung. Was genau im Innern des Gefängnisses geschah, lässt sich nicht unabhängig verifizieren, auch der Auslöser für die Geschehnisse in der Nacht ist unklar.
Teherans Staatsanwalt bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen im Land ausgebreitet haben. Nach seiner Darstellung handelte es sich um einen internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben. Die staatliche Agentur Irna berichtete am Samstagabend zunächst von einer Auseinandersetzung zwischen »Hooligans und Randalierern« mit den Gefängniswärtern. So sei das Textillager der Anstalt in Brand gesteckt worden. Die Lage sei jedoch nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle gebracht worden. Die Feuerwehr habe den Brand inzwischen gelöscht.
Kritiker im Ausland warnten vor einem Blutbad in dem Gefängnis. »Die Inhaftierten, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis völlig schutzlos«, sagte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI). »Die iranischen Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten, und wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden.«
Proteste gehen weiter – bereits 240 Tote
Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als der Ort für Misshandlung und Folter, insbesondere von politischen Gefangenen. Auch Demonstranten sind dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert, ebenso Doppelstaatler, die neben der iranischen auch eine weitere Staatsbürgerschaft haben. Die USA haben das Gefängnis und seine Leitung im Mai 2018 wegen »ernster Menschenrechtsverletzungen« mit Sanktionen belegt.
Seit fast einem Monat protestieren in Iran zahlreiche Menschen gegen die Regierung. Laut Menschenrechtsgruppen sind mindestens 240 Demonstrierende gestorben, darunter 32 Minderjährige. Der Aktivistengruppe HRANA zufolge wurden mehr als 8000 Personen in 111 Städten verhaftet. Auslöser war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini. Sie war in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie gegen die Regeln zum Tragen eines Kopftuchs verstoßen haben soll. Drei Tage später starb sie unter ungeklärten Umständen.