Mohammed bin Zayed schließt Frieden mit Israel Der Schattenherrscher

Mohammed bin Zayed führt Kriege im ganzen Nahen Osten. Er gilt als Mentor des brutalen saudischen Kronprinzen - und schließt nun unter Vermittlung von Donald Trump Frieden mit Israel. Wer ist der Mann?
Mohammed bin Zayed und Donald Trump 2017 bei einem Treffen im Weißen Haus

Mohammed bin Zayed und Donald Trump 2017 bei einem Treffen im Weißen Haus

Foto: Andrew Harnik/ AP

Sandstrände, Sonne, Shoppingcenter - Dubai hat all das. Im Überfluss. Deshalb lieben Touristen das Emirat am Persischen Golf, vor allem die gigantische Mall im Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt.

Die Corona-Pandemie hat das Reisen schwer gemacht, aber wenn es wieder möglich ist, werden vermutlich wieder jährlich Millionen Touristen kommen und die märchenhafte Dubai-Mall besuchen.

Sie werden das Aquarium bestaunen mit seinen mehr als 30.000 Tieren, während ein Lieferservice ihre Einkäufe aus den Flagshipstores direkt auf das Hotelzimmer bringt. Sie werden in der Adventszeit All-you-can-eat-Weihnachtsmenüs in Sushi-Schnellrestaurants essen oder staunend vor dem obligatorischen Kühlraum in den Supermärkten stehen, über dessen Eingang ein Warnhinweis in arabischer und englischer Sprache steht: "Schweinefleisch-Shop, für Nicht-Muslime".

Und vielleicht gibt es bald auch eine kleine koschere Ecke in den Supermärkten, für jüdische Kunden.

Seit Donnerstag scheint das zumindest theoretisch möglich: Kein Krieg, sondern ein Frieden ist ausgebrochen im Nahen Osten. Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen diplomatische Beziehungen aufnehmen.

Friedensgespräche am Telefon - Pandemie-Diplomatie

US-Präsident Donald Trump hat den Wandel durch Annäherung zwischen Israels Premier Benjamin Netanyahu und Mohammed bin Zayed, dem starken Mann der Vereinigten Arabischen Emirate, moderiert.

Die drei Politiker haben sich am Telefon auf Frieden geeinigt. Man nennt das wohl Pandemie-Diplomatie. Noch gibt es nur eine Erklärung, keinen Friedensvertrag. Aber allein diese Erklärung ist eine Sensation.

Israel ist bis heute ein Paria im Nahen Osten. Der jüdische Staat unterhält offiziell nur mit Ägypten und dem haschemitischen Königreich Jordanien diplomatische Beziehungen. Nun also bald auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, kurz VAE.

Wichtiges Gespräch: Benjamin Netanyahu beim Telefonat mit Mohammed bin Zayed und Donald Trump

Wichtiges Gespräch: Benjamin Netanyahu beim Telefonat mit Mohammed bin Zayed und Donald Trump

Foto: Koby Gideon / imago images/ZUMA Wire

Der autokratisch regierte Staatenbund ist in etwa so groß wie Österreich, dank seines Öls märchenhaft reich - und noch sehr jung. Die VAE wurden erst 1971 gegründet. Zuvor hatte das britische Empire die sunnitischen Scheichtümer am Persischen Golf mehr als ein Jahrhundert lang kontrolliert.

Erst als die Soldaten ihrer Majestät die sonnigen Golfstaaten verließen und in ihre regenreiche Heimat zurückkehrten, vereinigten sich insgesamt sieben Scheichtümer zu den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Das Emirat Dubai ist das glitzernde Schaufenster der Vereinigten Arabischen Emirate für die Welt, das den Blick auf die Schattenseite und damit das politische Machtzentrum verdeckt. Das liegt in Abu Dhabi. Dort ist Kronprinz Mohammed bin Zayed, Jahrgang 1961, der starke Mann; der eigentliche Herrscher ist nach einem Schlaganfall nicht mehr amtsfähig.

MbZ - ein Mann des Militärs

MbZ, wie er auch genannt wird, ist gebildet. Er besuchte unter anderem die schottische Privatschule Gordonstoun. Das Internat wurde in den Dreißigerjahren vom deutschen Reformpädagogen Kurt Hahn gegründet. Seine Ideen prägen bis heute auch das deutsche Elite-Internat Schloss Salem.

Neben Mohammed bin Zayed sind auch Prinz Charles und Christina Rau, die Witwe des verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau, Alumni dieser schottischen Kaderschmiede. Geprägt hat Mohammed bin Zayed aber vor allem ein Ort: die Königliche Militärakademie Sandhurst in England.

Mohammed bin Zayed ist bis heute begeisterter Hubschrauberpilot. Er ist ein Mann des Militärs geblieben, so, wie sein Freund Abdullah II., der jordanische König. Auch er ist Sandhurst-Absolvent.

Mann des Militärs: MbZ auf einer Waffenmesse

Mann des Militärs: MbZ auf einer Waffenmesse

Foto: CHRISTOPHER PIKE / REUTERS

Am 11. September 2001 waren die beiden im Norden Schottlands auf einer Jagdpartie. Hasen waren ihre Ziele, so erzählte  es ein Mann aus dem Umfeld des Kronprinzen Robert F. Worth von der "New York Times". Er ist dem geheimnisvollen Kronprinzen so nahegekommen wie bislang kein anderer Journalist.

Während Mohammed bin Zayed und Abdullah II. auf der Hasenjagd waren, steuerten auf der anderen Seite des Atlantiks, in New York, Qaida-Terroristen im Auftrag von Osama bin Laden zwei entführte Passagierflugzeuge in die Türme des World Trade Centers. Zwei der Massenmörder kamen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

"Der Nahe Osten ist nicht Kalifornien"

Mohammed bin Zayed

Für Mohammed bin Zayed war der Terroranschlag ein Wendepunkt in seinem Leben. Radikale Islamisten betrachtet er seither als größte Bedrohung für sein Emirat, die Region und die Welt.

"Der Nahe Osten ist nicht Kalifornien", warnte Mohammed bin Zayed 2007 US-Diplomaten, wie aus Wikileaks-Depeschen hervorgeht. Die meisten Araber würden bei freien und fairen Wahlen keine Demokraten wählen, sondern Islamisten oder Terroristen. Der Grund: Mangelnde Bildung. Um das zu ändern, brauche man Zeit, so Mohammed bin Zayed. Er veranschlagte ein halbes Jahrhundert.

Wenige Jahre nach seiner Warnung an die US-Diplomaten brach der Arabische Frühling aus. Und Mohammed bin Zayed sah sich in seiner Analyse bestätigt. Die Revolutionäre stürzten in Tunesien, Ägypten, Libyen und im Jemen ihre Diktatoren, alte, nationalistische und in religiösen Fragen moderate Autokraten. Doch das machtpolitische Vakuum in den postrevolutionären Gesellschaften, das füllten nicht Demokraten mit dem sonnigen Gemüt der Kalifornier, sondern vielerorts Islamisten mit einer politischen Agenda wie die Muslimbrüder.

Machtkampf um den Nahen Osten

Unter den islamistischen Kräften gab es moderate Kräfte, wie in Tunesien, aber auch radikale Salafisten oder Dschihadisten wie in Libyen. Sie kaperten die Revolutionen schnell, effizient und brutal - fast immer unterstützt vom Emirat Katar.

Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate sind seit dem Arabischen Frühling zu den neuen Machtzentren der arabischen Welt aufgestiegen. Die beiden Rivalen haben strategische Allianzen geschmiedet - Katar mit der Türkei und die Vereinigten Arabische Emirate mit Saudi-Arabien.

Mohammed bin Zayed führt Kriege im ganzen Nahen Osten, um seine Vision von der Region umzusetzen: Im Jemen hat er seine Soldaten und Söldner kämpfen lassen, in Libyen sind die Vereinigten Arabischen Emirate aktiv und auch auf der ägyptischen Sinaihalbinsel sollen seine Spezialkräfte in den vergangenen Jahren immer wieder zum Einsatz gekommen sein.

Wollen den Nahen Osten nach ihren Vorstellungen umbauen: MbZ und MbS

Wollen den Nahen Osten nach ihren Vorstellungen umbauen: MbZ und MbS

Foto: BANDAR AL-JALOUD/ AFP

Und Mohammed bin Zayed gilt als Mentor des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, der seinen greisen Vater wohl bald beerben wird. Sie protegieren Dschihadisten und Warlords und Diktatoren, um sich die Vorherrschaft zwischen Persischem Golf, dem Horn von Afrika und dem Mittelmeer zu sichern. Die beiden sunnitischen Herrscher verfolgen - mit Abstrichen - die gleichen drei Ziele:

  • Mohammed bin Zayed versucht, den Einfluss der Islamischen Republik Iran einzudämmen. Das Regime in Teheran hält nicht nur an seinem Atomprogramm fest, es hat in den vergangenen Jahren auch ein schlagkräftiges Netzwerk schiitischer Milizen in der gesamten Region aufgebaut.

  • Mohammed bin Zayed bekämpft daneben die ägyptische Muslimbruderschaft, die ihre Ideologie in die ganze arabische Welt exportiert, mit Katar und der Türkei zudem wichtige Unterstützer hat.

  • Außerdem versucht Mohammed bin Zayed in allen Ländern des Arabischen Frühlings wieder alte, nationalistische und in religiösen Fragen moderate Autokraten einzusetzen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Mohammed bin Zayed und Mohammed bin Salman teilen sich momentan also mit Israel dieselben Feinde und strategischen Ziele. Der saudische Kronprinz kann als künftiger König und Hüter über die für Muslime heiligen Stätten von Mekka und Medina aber nicht einfach Frieden schließen mit Israel. Der allmächtige Mohammed bin Zayed hingegen kann es, will es. Und in den Vereinigten Arabischen Emiraten geschieht sein Wille.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren