Holocaust-Gedenkstätte in Israel Wird ein extremer Rechter nächster Direktor von Yad Vashem?

Die israelische Regierung muss den Posten des Direktors von Yad Vashem neu besetzen. Im Gespräch: Effi Eitam, ein ultrarechter Ex-Militär, der Araber mit »Krebszellen« verglichen hat.
Die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem

Die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem

Foto: Rolf Vennenbernd/ DPA

Israels nationale Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird zu Beginn des nächsten Jahres einen neuen Direktor bekommen. Der seit 1993 amtierende 81-jährige Avner Shalev, der sich um die Einrichtung besonders verdient gemacht und ihre Vernetzung mit der einschlägigen internationalen Forschung und Pädagogik konsequent vorangetrieben hat, geht in den Ruhestand.

Auf ihn soll nach Willen der Regierungspartei Likud der frühere ultrarechte Politiker Effi Eitam folgen. Die Personalie wird in Israel wie auch im Ausland von Schoa-Überlebenden, Politikern und jüdischen Organisationen vehement kritisiert.

Massive Kritik aus dem In- und Ausland

Dem Protest haben sich jüngst mit einer Petition auch rund 750 Wissenschaftler, Museumskuratoren und Publizisten angeschlossen. Zu den mehr als 60 Signataren aus Deutschland gehören neben den Kulturwissenschaftlern Aleida und Jan Assmann auch etwa Cilly Kugelmann, Kuratorin im Jüdischen Museum Berlin, der Jenaer Historiker Norbert Frei und die Antisemitismus-Forscherin Stefanie Schüler-Springorum. 

Mit Yad Vashem und speziell mit der dortigen Internationalen Schule für Holocaust-Studien verbinden die Unterzeichner die »Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung im Allgemeinen«.

Diese »dringende Aufgabe, die Zivilgesellschaft zu ermutigen, aktiv zu beobachten, sich zu engagieren und zu intervenieren überall, wo Rassismus und Hass religiöse, ethnische oder andere Gruppen und Communities bedrohen« sei jedoch in Gefahr, wenn sie dem »unverhohlen rechtsgerichteten, extremistischen und historisch ungebildeten Politiker Effi Eitam übergeben wird«.

Politisch erfolgreich trotz verbaler Entgleisungen

Die Kritik entzündet sich nicht nur daran, dass der ehemalige hochdekorierte Brigadegeneral Effi Eitam, der mehrere Ministerämter bekleidet hat und in den letzten Jahren als Präsident einer israelischen Ölfirma tätig war, keinerlei fachliche Kompetenz für das Amt vorweisen kann. Auch halten ihn die Kritiker für moralisch ungeeignet und begründen dies mit Eitams extrem antiarabischen Äußerungen. Diese stammen aus der Zeit, als der heute 68-Jährige in den Jahren 2002 bis 2009 an der Spitze verschiedener militanter nationalreligiöser Parteien stand.

  • So hatte Eitam 2002, kurz bevor er Chef der nationalreligiösen Mafdal-Partei wurde, auf einer Tagung an der Universität Haifa die israelischen Araber als »Krebszellen« und »strategische Bedrohung« für den Staat Israel bezeichnet. In einem Interview mit der linksliberalen Zeitung »Haaretz« versuchte er dann, seine angeblich missverstandene Aussage zu relativieren, sprach aber im selben Atemzug von den einheimischen Arabern als »fünfter Kolonne«.

  • Obendrein verglich er den damaligen Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat mit Adolf Eichmann. 2006 wetterte Eitam in der Knesset, man müsse die meisten Araber aus »Judäa und Samaria« (Westjordanland) und die arabischen Abgeordneten, die »Verräterbande«, aus Israels parlamentarischem System »vertreiben«.

  • Ehe er Letzteres zwei Jahre später im Plenum wiederholte, forderte Eitam im Gespräch mit dem Blatt »Maariv«, bei einem künftigen Waffengang im Libanon auch Zivilisten ins Visier zu nehmen. »Einfach so, Zivilisten töten?«, fragte der Journalist. »Ja«, entgegnete Eitam, »das muss die Formel sein und keine andere«.

Solche Äußerungen, sosehr sie auch in der israelischen Öffentlichkeit für Empörung sorgten, hatten dem Ultranationalisten politisch kaum geschadet. Bei der Knessetwahl 2009 ging die von ihm mitbegründete militante nationalreligiöse Liste »Achi« (hebräisches Akronym für »Land, Gesellschaft, Judentum«) mit der damals oppositionellen Likud-Partei ein Bündnis ein und verhalf so deren Chef Benjamin Netanyahu mit zum Wahlsieg.

Enge Beziehungen zur Likud-Partei von Premier Netanyahu

Weil Eitam weit hinten auf der Kandidatenliste landete, erhielt er kein Mandat und schied daraufhin aus der Politik aus. Im Jahr darauf wollte sich Netanyahu seinem ehemaligen Bündnispartner gegenüber erkenntlich zeigen und schlug ihn für den lukrativen Posten des Direktors der israelischen Stromgesellschaft IEC vor. Dieser blieb ihm jedoch wegen fehlender Qualifikation letztlich verwehrt.

Die Beziehungen zur Likud-Partei von Premier Netanyahu sind seit Jahren gut. Deutlich macht das ein Vorfall aus dem Jahr 2015, als Eitam, der bis heute auf den von Israel annektierten Golanhöhen wohnt, sich wegen überhöhter Geschwindigkeit und Polizistenbeleidigung vor Gericht verantworten musste und zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde.

Als er in Revision ging, wurde Eitam, während das Revisionsverfahren am Bezirksgericht Nazareth lief, zum »Berater« des Knessetausschusses für Auswärtiges und Sicherheit ernannt. In Anbetracht seiner Verdienste als Militär und Politiker wie auch aus Rücksicht auf seine neue Beratertätigkeit und weitere eventuelle öffentliche Funktionen ließen die Richter Milde walten und strichen den Tatbestand der Beamtenbeleidigung. Eitam galt nun nicht mehr als vorbestraft und kam mit 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit davon.

Der Vorsitzende jenes Knessetausschusses war Zeev Elkin. Der Likud-Politiker, heute Minister für Hochschulbildung und Wasserressourcen, ist auch derjenige, der Effi Eitam für den Direktorenposten in Yad Vashem ausgewählt hat. Eitam ist zwar auch Netanyahus Favorit, doch seiner Ernennung soll dessen Koalitionspartner Benny Gantz vom »Blau-Weiß«-Bündnis kritisch gegenüberstehen. Wann über die Nominierung im von inneren Streitigkeiten geplagten israelischen Kabinett entschieden werden soll, ist derzeit noch offen.

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