Nach Attentat auf Shinzō Abe Japans Regierungschef will Verteidigung »drastisch« ausbauen

Japans Regierungschef Kishida: Verfassung einfach »uminterpretieren«
Foto: Rodrigo Reyes Marin / dpaJapan will in den kommenden Jahren militärisch kräftig aufrüsten. Er wolle die Verteidigung des Landes »drastisch stärken«, kündigte Regierungschef Fumio Kishida laut der Nachrichtenagentur Kyodo an. Seine regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) hatte am Vortag einen deutlichen Sieg bei Wahlen zum Oberhaus des nationalen Parlaments errungen. Vor dem Hintergrund der russischen Invasion in die Ukraine, des wachsenden Machtstrebens Chinas und der Bedrohung durch Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm will die Partei das Verteidigungsbudget des Landes auf zwei Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.
Rolle des Militärs soll ausgeweitet werden
Kishida sagte, er werde das Erbe seines zwei Tage vor der Wahl erschossenen Vorgängers Shinzō Abe fortsetzen. Dazu gehört eine Änderung der pazifistischen Nachkriegsverfassung – Abes politisches Lebensziel. Er wollte die Existenz der sogenannten Selbstverteidigungsstreitkräfte in der Verfassung verankern. Zwar erreichte er eine Änderung der Verfassung nicht, ließ sie dafür aber einfach »uminterpretieren«, um die Rolle des Militärs auszuweiten.
Das Lager der Befürworter einer Verfassungsänderung – neben den Koalitionsparteien auch zwei konservative Oppositionsparteien – sicherte sich bei der Wahl die hierfür nötige Zweidrittelmehrheit. Abe glaubte, dass die Verfassung nicht der einer unabhängigen Nation entspricht, da sie Japan 1946 von der damaligen Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei. Heute sind die USA Japans Schutzmacht. Am Montag sprach US-Außenminister Antony Blinken bei einem Kurzbesuch in Tokio Kishida das Beileid seiner Regierung für Abes Tod aus.
Blinken hatte nach der Tötung Abes seinen Reiseplan geändert, um auf der Rückreise aus Thailand einen Zwischenstopp in Tokio einzulegen. Er nannte Abe »einen Mann mit Visionen, der in der Lage ist, diese Visionen zu verwirklichen«.