Jemenkonflikt Der vergessene Krieg

Jemenitische Soldaten in der Hauptstadt Sanaa
Foto:Mohammed Huwais/ AFP
In wenigen Wochen, allenfalls wenigen Monaten, sollte alles vorbei sein: So lautete die Devise des saudi-arabischen Herrscherhauses im Frühjahr vor fünf Jahren. In den frühen Morgenstunden des 26. März 2015 begann die Militärintervention des Königreiches gegen die Huthi-Rebellen im Jemen. Ziel der Operation war es, die Regierung von Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi zurück an die Macht zu bringen. Zuvor hatten die Huthi-Rebellen am Ende eines jahrelangen Vormarsches die Hauptstadt Sanaa, die Hafenmetropole Aden und andere wichtige Städte erobert und die Regierung außer Landes getrieben.
Fünf Jahre später sitzt Präsident Hadi noch immer im Exil in Riad. Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman, der die Intervention im Jemen damals als frisch berufener Verteidigungsminister startete, hat sein Kriegsziel nicht erreicht. Zwar scheint sich in Riad mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass der Krieg gegen die Huthis mit militärischen Mitteln allein nicht zu gewinnen ist. Saudi-Arabien kann es sich aber nicht leisten, einfach die Waffen zu strecken. Denn mittlerweile ist die von Iran unterstützte Huthi-Miliz zu einer echten Gefahr für die nationale Sicherheit des Königreiches geworden. Ihre Raketen bedrohen Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad und die Hafenstadt Dschidda und die lebenswichtigen Ölanlagen im Land.
Fünf Jahre nach Kriegsbeginn sind die Huthis noch immer fähig zu Militäroffensiven. Anfang März eroberten die Rebellen die Provinzhauptstadt al-Hazm nordöstlich von Sanaa. Nun marschieren sie auf die weiter südlich gelegene Provinz Marib zu. Das liegt auch daran, dass Iran seine Unterstützung für die Huthi-Rebellen nicht zurückfährt, sondern eher ausbaut.
Saudi-Arabiens Militärkoalition ist zerfallen
Irans Revolutionswächter schicken inzwischen ranghohe Kommandeure in den Jemen. Am 2. Januar, in derselben Nacht, in der das US-Militär Qasem Soleimani, den Chef der Kuds-Brigaden in Bagdad tötete , entkam Abdolreza Shahlai im Jemen nur knapp demselben Schicksal. Die US-Armee wollte den Iraner, der als Finanzier und führender Kopf innerhalb der Revolutionswächter gilt, ebenfalls bei einem Drohnenangriff töten. Shahlai kam davon. Die US-Regierung hat ein Kopfgeld in Höhe von 15 Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt - das unterstreicht, welche Bedeutung die US-Geheimdienste Shahlai beimessen, der nun offenbar die iranischen Aktivitäten im Jemen koordiniert.
Hingegen ist die Militärkoalition, die Mohammed bin Salman vor fünf Jahren geschmiedet hatte, weitgehend zerfallen. Das Bündnis aus zehn Staaten, die sich im März 2015 zum Kampf gegen die Huthis unter saudischer Führung zusammengefunden hatten, gibt es nicht mehr. Stattdessen hat Riad den Kampf mehr und mehr an ausländische Söldnertruppen ausgelagert. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Riads wichtigster Verbündeter, haben sich mittlerweile weitgehend aus dem Krieg zurückgezogen. Dafür unterstützen die Herrscher in Abu Dhabi mittlerweile militante Separatisten, die für einen unabhängigen Staat im Südjemen kämpfen - ähnlich wie er bis zur Wiedervereinigung des Jemen 1990 existierte. Damit stehen sich in und um Aden inzwischen Kampfverbände gegenüber, die von den eigentlichen Verbündeten Saudi-Arabien und VAE unterstützt werden. Es hat sich ein Krieg im Kriege entwickelt.
Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.
Es ist nur einer von vielen Konflikten, die im Schatten des Bürgerkriegs ausgetragen werden. Neben der jemenitischen Regierung, den Huthi-Rebellen und südjemenitischen Separatisten, sind auch die Terrormilizen "al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAP) und "Islamischer Staat" (IS) in dem Land aktiv. Die verschiedenen Akteure mit unterschiedlichen Interessen, die sich überlagernden Konflikte, machen eine Verhandlungslösung so schwierig.
Huthis fürchten Rückkehr von Corona-Infizierten aus Saudi-Arabien
Dabei wäre ein Ende des Krieges dringender geboten denn je. Mehr als 100.000 Menschen sind in den vergangenen fünf Jahren bei Kämpfen getötet worden. Die Zahl der Zivilisten, die an indirekten Kriegsfolgen - Mangelernährung, Seuchen, Krankheiten und Verletzungen, die in Friedenszeiten hätten behandelt werden können - gestorben sind, ist um ein Vielfaches höher. Ähnlich wie in Syrien wächst im Jemen eine Generation heran, die eine Kindheit und Jugend, ein Leben ohne Krieg gar nicht mehr kennt.

In der südjemenitischen Stadt Taizz wird einem Mann im Zuge der Coronakrise die Temperatur gemessen
Foto: Ahmad Al-Basha/ AFPUnd nun droht auch die Corona-Pandemie die geschwächte Bevölkerung zu treffen. Bislang gibt es in dem Land keinen bekannten Fall von Covid-19. Wegen des katastrophalen Zustands des Gesundheitswesens ist es aber gut möglich, dass es unentdeckte Fälle gibt. Gleichwohl könnte dem Jemen im Angesicht der Pandemie seine internationale Isolation ausnahmsweise zugutekommen. Seit 2015 hat Saudi-Arabien das Land weitgehend abgeriegelt, nur Hilfsgüter gelangen durch die See- und Luftblockade. Und so ist auch das Risiko, dass infizierte Personen in den Jemen gelangen, deutlich geringer als in anderen Ländern.
Vor wenigen Tagen allerdings hat Saudi-Arabien 6000 Jemeniten des Landes verwiesen und zurück in ihre Heimat geschickt. Die Huthis fürchten, dass Corona-Infizierte darunter sind und bezichtigen die Saudis, sie wollten dafür sorgen, dass das Virus sich auch im Jemen ausbreitet. "Wir empfinden das als hinterhältigen Akt, da sie bisher ja im Gegenteil die Grenzen überallhin schlossen und die Flüge stoppten", heißt es aus Sanaa.
Die Rebellen haben Quarantänezentren errichtet, in denen sie die abgeschobenen Jemeniten 14 Tage lang isolieren wollen. In Sanaa wird zudem gerade ein Gesundheitszentrum ausgebaut, um bestätigte Fälle aufzunehmen und zu isolieren. Dieses Zentrum verfügt aber nur über jeweils zwölf Betten für Männer und Frauen. Zu wenig im Angesicht der drohenden Katastrophe.