Neue US-Regierung EU bietet Biden »neuen Gründungspakt« für Zusammenarbeit an

EU-Ratspräsident Charles Michel: »Heute ist eine Gelegenheit, unsere transatlantische Beziehung, die in den letzten vier Jahren sehr gelitten hat, zu verjüngen«
Foto: JOHN THYS / AFPWenige Stunden vor der Amtseinführung des künftigen US-Präsidenten Joe Biden hat EU-Ratspräsident Charles Michel den USA einen »neuen Gründungspakt« für die gemeinsame Zusammenarbeit vorgeschlagen. Er solle Europa und die USA »stärker« und die Welt »besser« machen, sagte Michel im Europaparlament.
Michel nannte fünf Prioritäten für den gemeinsamen Neustart:
die Förderung multilateraler Zusammenarbeit in der Welt
den Kampf gegen die Coronakrise
das Vorgehen gegen den Klimawandel
den Wiederaufbau der Wirtschaft mit der Sicherstellung eines fairen Handels und dem digitalen Wandel
und »ein Bündeln der Kräfte bei Sicherheit und Frieden«.
»Heute ist eine Gelegenheit, unsere transatlantische Beziehung, die in den letzten vier Jahren sehr gelitten hat, zu verjüngen«, sagte Michel mit Blick auf die Jahre unter US-Präsident Donald Trump. Es sei zwar klar, dass nicht alle Probleme im beiderseitigen Verhältnis »auf wundersame Weise verschwinden« würden. Was Europa und die USA eine, sei aber »viel größer« als die Meinungsverschiedenheiten.
Michel verwies auf die lange Tradition beider Seiten im Kampf für Demokratie. Er verurteilte erneut »den schändlichen Versuch« von Anhängerinnen und Anhängern des scheidenden Präsidenten, das Wahlergebnis durch den Sturm auf das Kapitol in Washington zu kippen. Die US-Demokratie habe aber ihre Widerstandsfähigkeit gezeigt. Er hoffe nun auf einen friedlichen Tag der Amtsübergabe.
Trump ist bald Geschichte – seine Anhänger bleiben
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich offen erleichtert über das Ende der Amtszeit von Präsident Trump. Die Welt warte darauf, »dass die USA in den Kreis gleich gesinnter Staaten zurückkehrt«, sagte sie.
Doch von der Leyen warnte auch: »Präsident Trump mag in wenigen Stunden Geschichte sein. Seine Anhänger aber bleiben.« Mehr als 70 Millionen Menschen hätten Trump gewählt. Einige Hundert hätten vor wenigen Tagen das Kapitol gestürmt.
Von der Leyen brachte dies in Verbindung mit Hassbotschaften und Falschmeldungen in den sozialen Medien. Auch Europa sei vor solchen Entwicklungen nicht gefeit – auch hier gebe es Menschen, die sich benachteiligt fühlten oder einer »oft wirren Melange völlig absurder Hirngespinste« anhingen, sagte sie.
Steinmeier erleichtert über Regierungswechsel
In Deutschland schauen Politiker der bevorstehenden Amtseinführung ebenfalls mit Freude entgegen. »Meine Erleichterung ist groß, dass Joe Biden heute als Präsident vereidigt wird und ins Weiße Haus einzieht«, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer am Mittwoch veröffentlichten Videobotschaft. »Ich weiß, dass dieses Gefühl von vielen Menschen in Deutschland geteilt wird.«
Steinmeier sagte weiter: »Heute ist ein guter Tag für die Demokratie«. In den USA habe sich die Demokratie »gegen schwere Belastungen behauptet«. Allen Anfeindungen zum Trotz hätten sich Amerikas Institutionen als stark erwiesen.
»Bei aller Freude über den heutigen Tag« dürfe nicht vergessen werden, dass Populismus »auch die mächtigste Demokratie der Welt verführt« habe, sagte Steinmeier, ohne Trump beim Namen zu nennen, »wir müssen der Polarisierung entschieden entgegentreten«.
Mit dem Amtsantritt der neuen US-Regierung sei auch die Hoffnung verbunden, »dass die internationale Gemeinschaft in Zukunft wieder enger und besser zusammenarbeitet, um die großen Probleme unserer Zeit zu lösen«.