Besuch in Warschau Biden nennt Nato-Beistand »heilige Verpflichtung«

Deutliche Worte: US-Präsident Joe Biden (r) mit dem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda am Samstag in Warschau
Foto: Brendon Smialowski / AFPUS-Präsident Joe Biden hat Polen angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine die Bündnistreue der Nato zugesichert. »Wir betrachten Artikel fünf als eine heilige Verpflichtung, und darauf können Sie sich verlassen«, sagte Biden am Samstag bei einem Treffen mit Polens Präsident Andrzej Duda in Warschau. Die USA und Polen müssten ständigen Kontakt halten. Er gehe davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin »damit gerechnet hat, die Nato spalten zu können, die Ostflanke vom Westen trennen zu können«, sagte Biden weiter. Dazu sei er aber nicht in der Lage gewesen.
Artikel fünf des Nordatlantikvertrags besagt, dass ein Angriff gegen einen oder mehrere Nato-Mitgliedstaaten als Angriff gegen sie alle angesehen und gemeinsam bekämpft werde.
Duda dankte Biden für seine Führungsstärke und für »die harte Stimme der USA, die sich mit Nachdruck für ein Ende der russischen Aggression gegen die Ukraine« einsetze. Er sagte, dass es auch unter den Polen derzeit ein großes Gefühl der Bedrohung gebe – »weil wir wissen, was der russische Imperialismus bedeutet, und wir wissen, was ein Angriff der russischen Armee bedeutet, weil unsere Großeltern und Urgroßeltern ihn erlebt haben, manchmal auch unsere Eltern«. Bidens Besuch stärke die Beziehungen zwischen beiden Ländern und sei ein gutes Signal für amerikanische Investoren: »Dort, wo Sie ankommen, ist ein sicherer und geschützter Ort.«
Duda setzt auf US-Hilfe für Atomprogramm
Der US-Präsident nannte Putin einen »Schlächter«. Zurückhaltend äußerte er sich bezüglich jüngster Vermutungen, Russland könne im Ukrainekrieg einen Strategiewechsel eingeschlagen haben. Auf die Frage, wie er die Ankündigung aus Moskau bewerte, antwortete Biden: »Ich bin mir nicht sicher, dass sie das (den Strategiewechsel) getan haben.«
Der russische Vize-Generalstabschef Sergej Rudskoj hatte am Freitag erklärt, die Armee werde sich künftig auf die »Befreiung« der Donbass-Region in der Ostukraine konzentrieren. Bisher lautete das erklärte Kriegsziel des Kreml, die gesamte Ukraine zu »entnazifizieren«, Staatschef Wolodymyr Selenskyj zu stürzen und die ukrainischen Streitkräfte zu zerschlagen.
Polens Präsident Duda erklärte, er habe Biden nach der Möglichkeit gefragt, Waffenkäufe zu beschleunigen. Polen setze zudem auf Zusammenarbeit mit den USA bei dem geplanten Einstieg in die Atomkraft. Die nationalkonservative Regierung Polens hatte bislang ein schwieriges Verhältnis mit Biden. Mit dessen Vorgänger Donald Trump verstand sie sich bestens.
Biden bedankte sich bei Polen auch für die Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine. Knapp 2,27 Millionen Menschen aus der Ukraine sind bislang nach Polen eingereist. Es gibt derzeit keine offiziellen Angaben dazu, wie viele von ihnen in Polen geblieben und wie viele bereits in andere EU-Staaten weitergereist sind.
»Wir erkennen an, dass Polen eine große Verantwortung übernimmt, die meiner Meinung nach nicht nur Polen betreffen sollte. Es sollte die Verantwortung der ganzen Welt, der ganzen Nato sein«, sagte der US-Präsident. »Die Tatsache, dass so viele Ukrainer in Polen Zuflucht suchen, verstehen wir, weil wir an unserer Südgrenze täglich Tausende von Menschen haben, die (…) versuchen, in die Vereinigten Staaten zu gelangen.« Die US-Regierung hatte angekündigt, bis zu 100.000 Menschen aus der Ukraine aufnehmen zu wollen.
Biden besuchte am Nachmittag das Warschauer Nationalstadion, um sich einen Eindruck von dem Hilfseinsatz für Geflüchtete zu verschaffen und selbst mit Ukrainern zu sprechen. Er habe hier »wundervolle Menschen« getroffen, sagte der US-Präsident. Darunter seien auch zwei Menschen aus der umkämpften südostukrainischen Hafenstadt Mariupol gewesen. Das Stadion in Warschau war ursprünglich für die Fußball-Europameisterschaft 2012 erbaut worden, die Polen gemeinsam mit dem Nachbarn Ukraine ausgerichtet hatte.
Treffen mit ukrainischen Ministern
Vor seinem Treffen mit Duda hatte sich Biden auch mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und Verteidigungsminister Olexij Resnikow beraten. Diese hatten sich in Warschau mit ihren jeweiligen US-Amtskollegen getroffen – Biden nahm etwa 40 Minuten an dem Treffen teil. Seine Teilnahme an Gesprächen auf Ministerebene ist ungewöhnlich und ließ darauf schließen, dass er damit eine Botschaft der Solidarität für die Ukraine senden wollte. Es war Bidens erstes persönliches Treffen mit hochrangigen Vertretern der Regierung in Kiew seit Beginn des Ukrainekriegs am 24. Februar.
Der Samstag ist der zweite Tag von Bidens Polen-Reise. Am Freitag war Biden ins südostpolnische Rzeszow gereist und hatte dort stationierte US-Truppen besucht. Die Stadt liegt nur rund 90 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.
Am Samstagabend wollte Biden in Warschau noch eine wichtige Rede zum Krieg in der Ukraine halten und danach in die USA zurückkehren.