Bidens Migrationspolitik Die Mauer zu den USA öffnet sich

Migranten aus Honduras mit dem Ziel USA: Hoffnung auf ein besseres Leben
Foto: LUIS ECHEVERRIA / REUTERSAn Tag eins seiner Regierungszeit hat US-Präsident Joe Biden begonnen, die Einwanderungspolitik seines Vorgängers Donald Trump zu revidieren. Für die Migranten, die sich gerade aus Mittelamerika auf den Weg in Richtung USA gemacht haben, ist das eine gute Nachricht. Sie hoffen, dass der Wechsel im Weißen Haus ihnen zu einem besseren Leben verhilft.
Wie schon in den Jahren zuvor hatten sich zu Jahresbeginn erneut Tausende Menschen aus Zentralamerika auf den Weg gemacht in Richtung Vereinigte Staaten. Bis zu 9000 Männer, Frauen und Kinder sind diesmal vor allem aus Honduras aufgebrochen. Sie fliehen vor Armut, Gewalt und Arbeitslosigkeit.

Migranten durchqueren Guatemala auf dem Weg in die Vereinigten Staaten
Foto: --- / dpaDenn an den Lebensumständen und den Problemen, denen die Menschen in ihren Heimatländern ausgesetzt sind und die seit Jahren zu einer Abwanderung aus der Region führen, hat sich nichts verbessert. Im Gegenteil, es sind noch neue hinzugekommen: Die Corona-Pandemie treibt die Arbeitslosigkeit in der Region rasant in die Höhe. Ende vergangenen Jahres trafen zudem zwei Hurrikane auf Zentralamerika und führten zu verheerenden Verwüstungen.
Bidens erste Amtshandlungen geben Hoffnung
Die neue Regierung im Weißen Haus ist für viele Menschen ob dieser Umstände ein Signal. »Ein neuer Pull-Faktor«, nennt es Jessica Bolter vom Migration Policy Institute in Washington. Bolter beschäftigt sich als Analystin schwerpunktmäßig mit Migrationsbewegungen an der US-Grenze zu Mexiko, mit Fragen des Asyls in den Vereinigten Staaten und Migrationspolitik in Lateinamerika. Der Regierungswechsel in den Vereinigten Staaten wird fundamentale Änderungen im Rahmen der Migrationspolitik bringen, die Bolter in ihrer Forschung künftig begleiten wird.
So hat US-Präsident Biden bereits angekündigt, eine breite Überholung der Einwanderungsgesetze in den Kongress einzubringen. An seinem ersten Tag im Amt hat er, so zählt Bolter auf, bereits per Dekret
eine Pause beim Ausbau der Mauer an der Südgrenze der USA veranlasst,
den Einreisestopp für Menschen aus mehrheitlich islamischen Ländern aufgehoben,
begonnen, Menschen ohne Aufenthaltsstatus, die unter Trump verhaftet und abgeschoben werden sollten, zu entkriminalisieren,
Abschiebungen für hundert Tage ausgesetzt und derweil eine Überprüfung der Abschiebebescheide veranlasst,
das DACA-Programm gestärkt, das Jugendliche, die als Kinder illegal in die USA kamen, vor Abschiebung stützt und ihnen eine Arbeitserlaubnis gibt,
das »Remain in Mexico«-Programm angehalten, das Migranten zurück nach Mexiko schickte, damit sie dort auf ihre Asylanhörung warten sollten.
Was bedeutet das nun? Werden sich die chaotischen Bilder aus den vergangenen Jahren, als Tausende Migranten sich an der Südgrenze der USA stauten, wiederholen?

Guatemalas Sicherheitskräfte versuchen die Migranten aufzuhalten
Foto: JOHAN ORDONEZ / AFPUm das einzuschätzen, lohnt ein Blick zurück. Ex-Präsident Trump hat viel dafür getan, die Grenzen der Vereinigten Staaten abzuriegeln. Nicht nur mit seiner Mauer, sondern auch mit viel Druck auf Transitländer wie Guatemala und Mexico, die Migranten aufhalten sollten. 2019 strich Trump Hilfsgelder für jene drei Ländern, aus denen sich die meisten Menschen aufmachten. Er hat erreicht, dass die Regierungen von Guatemala, Honduras und El Salvador etliche Abwanderungswillige stoppten. Mexiko zwang der Ex-Präsident mit einer angedrohten Erhöhung von Zöllen zur Kooperation.
Trump schloss auch Asylabkommen mit Drittländern wie Guatemala und ließ Asylsuchende aus Mittelamerika, die in den USA um Schutz gebeten hatten, dorthin abschieben. Statt in den USA sollten sie in Guatemala einen Asylantrag stellen. De facto hebelte die Trump-Regierung mit diesen Abkommen das Recht auf ein Asylgesuch in den USA aus. Das alles hatte jedoch mehr Symbolcharakter als Wirkung.
Ein Bericht des US-Senats, aus dem die »Washington Post« zitiert, legt die Konsequenzen dieser Politik dar: Seit November 2019 schob die Trump-Regierung 945 Asylsuchende, vor allem aus El Salvador und Honduras, nach Guatemala ab. Nur 34 von ihnen haben sich um Asyl in dem Land bemüht – und keiner von ihnen hat bisher Asyl erhalten.
Das von Gang-Gewalt erschütterte Guatemala gehört – laut US-Botschaft in Guatemala – zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Ebenso wie Honduras und El Salvador, wo die Drittlandabkommen auch greifen sollten, hat Guatemala nicht einmal ansatzweise ein Asylsystem entwickelt. Das Land ist mit der Erfüllung des Abkommens völlig überfordert.
US-Einwanderungspolitik ändert sich nicht über Nacht
Die Biden-Regierung hat bereits angekündigt, auch Trumps Asylabkommen mit Drittländern auszusetzen und wieder Asylanträge anzunehmen. Die Migranten hat sie allerdings auch davor gewarnt weiterzureisen: Die US-Einwanderungspolitik werde sich nicht über Nacht ändern. »Die Regelung, dass jemand, der die Grenze illegal übertritt, wieder abgeschoben wird und keinen Zugang zu Asyl erhält, bleibt erst einmal weiter bestehen«, sagt Expertin Jessica Bolter. Biden hatte kommuniziert, dass seine Regierung »mindestens die nächsten sechs Monate« brauche, um eine »menschlichere Asylpolitik« zu gestalten.
Die Sorge, dass es an der Grenze wieder zu chaotischen Szenen komme und diese dann Bidens fortschrittliche Agenda behinderten, sei groß, sagt Bolter. »Bevor die Regierung den Zugang zu Asyl wieder öffnet, wird sie sich darum bemühen, an der Grenze ein besser funktionierendes Asylsystem einzurichten, sodass sich die Anfragen auch managen lassen werden.«
Die Biden-Regierung werde sich um eine gute Zusammenarbeit mit den zentralamerikanischen Ländern bemühen, um die Migrationsbewegungen in der Region besser zu steuern. Auch da gebe es bereits Ansätze, etwa Asylzentren in diesen Ländern einzurichten, sodass Schutzsuchende vor Ort ihre Anträge stellen können. Biden hat auch angekündigt, den Fokus auf die Fluchtursachen in den zentralamerikanischen Staaten zu legen.

Honduranische Migranten auf dem Weg in die USA
Foto: Oliver de Ros / APDer Treck aus Honduras mit 3000 Migranten war zu Wochenbeginn in Guatemala von Sicherheitskräften aufgelöst worden. Einige Gruppen sollen laut Beobachtern weiter in Richtung Mexiko ziehen. Tausende aber sind aufgehalten und teilweise zurück nach Honduras geschickt worden. Guatemala, das seine Politik der harten Hand auch mit dem Infektionsrisiko in der Pandemie begründete, nimmt die von Trump zugeschriebene Rolle als Türsteher auch nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus wahr.
Künftig könnte sich diese Rolle verändern. »Die Biden-Regierung wird regionale Partner in Zukunft sicher mehr als Partner betrachten, wohingegen Trump seine Migrationspolitik nur durch Druck gestaltet hat«, sagt Bolter.
Migranten werden in größerer Zahl Richtung USA ziehen
Bolter rechnet damit, dass die Menschen sich jetzt wieder in größerer Zahl in Richtung USA aufmachen werden. Dass sich erneut Zehntausende an der Grenze in Elendslagern stauen, so wie es unter Trump der Fall war, hält sie für unwahrscheinlicher. Trump hatte das Elend bewusst im Sinne seiner politischen Agenda produziert. »Die neue Regierung wird pragmatisch an die Sache herangehen und mit Partnern, NGOs und Migrantenherbergen an der Grenze zusammenarbeiten. Sie wird die Schlüsselzentren an der Grenze ausrüsten, um auch adäquat mit Eltern und Kindern umgehen zu können, sodass sich die chaotischen Szenen aus der Vergangenheit nicht wiederholen.«
Die Chance, dass es in Zukunft unter Migrantenfamilien, die sich in den USA um ein würdiges Leben bemühen, zu weniger Traumatisierungen kommt, ist hoch.