Erste Schwarze im Panthéon Paris ehrt Josephine Baker

Sie war Sängerin, Tänzerin, Widerstandskämpferin: Jetzt wird Josephine Baker eine Ehrung zuteil, die Frankreich nur wenigen Künstlern gewährt. Der Einzug ins Panthéon ist auch eine Demonstration gegen den Rassismus im Land.
Von Britta Sandberg, Paris
Der Sarg Josephine Bakers am Pariser Panthéon, getragen von sechs Soldaten der französischen Luftwaffe

Der Sarg Josephine Bakers am Pariser Panthéon, getragen von sechs Soldaten der französischen Luftwaffe

Foto: Christophe Ena / AP

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Es ist natürlich Zufall, dass Josephine Baker, 1906 in Missouri/USA geboren, 1975 in Paris gestorben, ausgerechnet an diesem Dienstag ins Pariser Panthéon aufgenommen wird. Die Initiative, die Sängerin, Tänzerin und ehemalige Widerstandskämpferin in die Grabstätte berühmter französischer Persönlichkeiten aufzunehmen, geht auf das Jahr 2013 und auf eine Idee des Schriftstellers Régis Debray zurück. Aber es hätte wahrscheinlich kein besseres Timing für die posthume Ehrung geben können.

Wenige Stunden zuvor hat der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour in einem YouTube-Video seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen  im April 2022 angekündigt. Sie war unterlegt mit Bildern von gewalttätigen Übergriffen auf Franzosen, die angeblich allesamt von Ausländern ausgingen, und genährt von unendlich viel Hass. Der Hass richtete sich gegen Muslime, gegen Einwanderer, gegen alle, die irgendwie anders sind.

Nun aber wird im winterdunklen Paris der Sarg Josephine Bakers, bedeckt mit der französischen Flagge, von sechs Soldaten der Luftwaffe die Rue Soufflot im 5. Arrondissement hochgetragen, langsam, mit präzisen 88 Schritten pro Minute – über einen riesigen roten Teppich, der bis ins Panthéon führt. Dort warten Prominente, Familienangehörige, Prinz Albert von Monaco, amtierende Minister, ehemalige Premierminister und Präsidenten, das politische Personal der Republik.

Prinz Albert von Monaco, Präsident Emmanuel Macron im Pariser Panthéon

Prinz Albert von Monaco, Präsident Emmanuel Macron im Pariser Panthéon

Foto: SARAH MEYSSONNIER / REUTERS

Sie wollen die erste Schwarze ehren, die ins Panthéon einzieht. Eine Einwanderin, die mit 19 Jahren aus den USA nach Frankreich kommt und überrascht ist, dass Pariser sie am Gare Saint-Lazare tatsächlich anlächeln. Die auf einmal in Restaurants nicht mehr abgewiesen wird aufgrund ihrer Hautfarbe und die in der französischen Hauptstadt, anders als in ihrer Heimat, wo sie schon mit acht Jahren als Dienstmädchen für eine weiße Familie arbeitete, hingehen kann, wo sie will. Sie kann jetzt auch die Toiletten der Weißen benutzen, auch das ist neu für sie.

»Ich hatte plötzlich keine Angst mehr, das jemand mich auf einmal anbrüllt, um mir zu sagen, ›Du Negerin, geh ans Ende der Schlange‹«, wird sie später erzählen.

Sängerin Baker mit ihren zwölf Adoptivkindern in ihrem Anwesen Château des Milandes in der Dordogne

Sängerin Baker mit ihren zwölf Adoptivkindern in ihrem Anwesen Château des Milandes in der Dordogne

Foto: Keystone-France / Gamma-Keystone via Getty Images

Geehrt wird jetzt eine Frau, die sich weigerte, in Paris zu singen, solange die Deutschen die Stadt während des Zweiten Weltkriegs besetzten. Baker schließt sich der französischen Résistance an, wird Mitglied der Luftwaffe, singt für Soldaten an der Front und versteckt sowohl Angehörige der Résistance als auch Juden in ihrem Anwesen in der südfranzösischen Dordogne. Später schmuggelt sie Geheiminformationen in ihren Partituren über Grenzen und arbeitet als Spionin.

Geehrt wird eine Antirassistin

An diesem Dienstagabend wird im Panthéon das Gegenprogramm zu Zemmours Gruselvideo aufgeführt. Geehrt wird auch eine entschiedene Feministin. Eine Antirassistin, die im August 1963 beim Marsch auf Washington neben Martin Luther King eine leidenschaftliche Rede hält. Bilder der tanzenden Josephine Baker werden auf die historische Fassade projiziert. Und Ausschnitte der »I have a dream«-Rede von Martin Luther King.

Baker in der Uniform der französischen Armee

Baker in der Uniform der französischen Armee

Foto: - / AFP

»Antiracistes de tous les pays, unissez-vous – Antirassisten aller Länder, vereinigt euch« steht da auf einmal auf dem neoklassizistischen Giebel. Und die Pariser, die links und rechts des roten Teppichs stehen, applaudieren dem Sarg, und der Chor der französischen Armee singt das Lied der Partisanen.

»Mein Frankreich, das ist Josephine.«

Emmanuel Macron,

französischer Präsident

Zehn ihrer zwölf Kinder wohnen der feierlichen Zeremonie bei. Sie hatte sie adoptiert, zwölf Kinder, die aus acht Ländern kamen und alle unterschiedliche Hautfarben und Religionen hatten. Einige waren Buddhisten, andre Muslime, wieder andere Katholiken oder Protestanten. Sie nannte sie ihre Regenbogenfamilie. Es war ihr großherziges, aber auch etwas verkopftes Projekt, auferlegte Grenzen zu überwinden – ein Feldexperiment im eigenen Haus, das belegen sollte, dass Rassismus keine Chance hat, wenn man ihm keinen Platz lässt.

Gegen Ende der Zeremonie spricht Präsident Emmanuel Macron. »Mit Ihnen, Josephine Baker, zieht heute eine gewisse Idee der Freiheit ins Panthéon ein, eine Idee von einem Fest. Als Amerikanerin wurden Sie geboren, aber es gab wohl niemanden, der französischer war als Sie. Mein Land, das ist Paris, haben Sie gesagt.« Jeder würde diesen Satz heute Abend auf den Lippen haben. Dann schließt der Präsident seine Rede: »Mein Frankreich, das ist Josephine.«

Nicht alle werden mit diesem Satz einverstanden sein. Im Panthéon aber sind es viele.

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