Schwere Vorwürfe Mutmaßliches Assange-Opfer kritisiert Uno-Folterexperten

Der Uno-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, setzt sich vehement für WikiLeaks-Gründer Julian Assange ein. Nun beschuldigt eine Schwedin den Juristen nach SPIEGEL-Informationen, Unwahrheiten zu verbreiten.
Nils Melzer: Kämpft für Julian Assange - und steht in der Kritik

Nils Melzer: Kämpft für Julian Assange - und steht in der Kritik

Foto: Fabrice Coffrini/ AFP

Im Fall des inhaftierten WikiLeaks-Gründers Julian Assange gab es viel Aufmerksamkeit für den Bericht von Nils Melzer, dem Uno-Sonderberichterstatter für Folter, auch der SPIEGEL ließ ihn ausführlich zu Wort kommen . Doch eine der beiden Frauen, die 2010 in Schweden bei der Polizei aussagten, weil Assange sie sexuell bedrängt habe, wehrt sich jetzt gegen Melzers Darstellung.

Noch nie habe sie sich "so sehr missbraucht gefühlt" wie durch ihn, schreibt die Schwedin Anna A. in einem Dossier, das sie an Melzers Büro geschickt hat und das der SPIEGEL einsehen konnte. Melzer hatte von Manipulationen durch die schwedischen Ermittler gesprochen und die Erfindung einer "Vergewaltigungserzählung" behauptet.

So schiebe er die Schuld den Opfern zu, schreibt die Frau; es sei "eine klassische patriarchalische Technik, die Bedingungen dafür zu definieren, wie 'ein echtes Vergewaltigungsopfer' sich zu verhalten habe". Sie hält dem Juristen zudem vor, sie persönlich zu verleumden und teilweise die Unwahrheit über die Ermittlungen verbreitet zu haben, etwa über die Bereitschaft Assanges, zu den Vorfällen auszusagen. Dies sei "vollständig inakzeptabel, schockierend und ein Grund, seine Tätigkeit bei der Uno zu beenden".

"Mein Verständnis der Sachlage ist vielleicht noch unvollständig"

Anna A. und Melzer hatten zuvor E-Mails ausgetauscht. Darin zeigte sich der Sonderberichterstatter offen für mögliche Änderungen in seiner Darstellung: "Mein Verständnis der Sachlage ist vielleicht noch unvollständig." Die schwedische Regierung sei auf seine detaillierten Fragen nicht eingegangen. In seinem Schreiben an die Regierung habe er zudem deutlich gemacht, dass er sich in Bezug auf die Ereignisse in Schweden kein Urteil über die Schuld oder Unschuld von Assange anmaße.

Klar sei für ihn, dass die 2010 gemachten Aussagen, vor allem die des zweiten mutmaßlichen Opfers, "absichtlich verzerrt, verbreitet, weitergeführt und instrumentalisiert" worden seien, um Assange zu schaden. Allerdings schränkte er dies gegenüber Anna A. ein: "Ich glaube nicht, dass Ihre eigenen Angaben durch die Polizei fingiert worden sind."

Ähnlich wie Anna A. haben mehr als 300 Menschenrechtsanwälte und Juraprofessoren aus zahlreichen Ländern Melzer bereits scharf kritisiert. In einem offenen Brief warfen sie ihm im vergangenen Sommer vor, seine Einlassungen seien "in Bezug auf sexuelle Gewalt sowohl rechtlich abwegig als auch schädlich". Melzer wies das schon damals zurück.

Er teile zwar die Rechtsauffassung der Unterzeichner und sei ebenfalls der Meinung, "dass jedes Opfer unterstützt und ernst genommen werden muss, das mutig genug ist, sexuellen Missbrauch anzuzeigen". Im Fall Assange bleibe er aber bei seiner Feststellung, dass die in Schweden zusammengetragenen Beweise keine Grundlage seien, wegen des Verdachts auf Vergewaltigung zu ermitteln. Eine Klarstellung zu sexuellen Missbrauch, die von den drei Initiatorinnen des offenen Briefs "aufrichtig begrüßt" wurde.

dip
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