Vertragsverletzungsverfahren Polen wirft EU unrechtmäßige Einmischung vor

Die EU-Kommission hat ein viertes Vertragsverletzungsverfahren gegen die polnische Regierung eingeleitet - zum Ärger des Justizministeriums in Warschau. Eine Personalie heizt die Debatte zusätzlich an.
Das Gebäude des Obersten Gerichts in Warschau (Archivbild von 2017)

Das Gebäude des Obersten Gerichts in Warschau (Archivbild von 2017)

Foto: Czarek Sokolowski/ dpa

Das Vorgehen der EU sei "absolut unbegründet": Mit scharfen Worten hat das polnische Justizministerium die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU-Kommission kritisiert. Die EU-Kommission wirft der polnischen Regierung schon seit Längerem vor, die Demokratie des Landes auszuhöhlen - und leitete am Mittwoch das nunmehr vierte Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein. Es richtet sich gegen ein Gesetz zur Bestrafung von Richtern, das seit Februar in Kraft ist.

Die EU-Kommission habe kein Recht, in die Angelegenheiten des polnischen Justizsystems einzugreifen, da dieses "ausschließlich in die Zuständigkeit" Polens falle, hieß es weiter aus Warschau. Die Kommission müsse aufhören, "ihre Befugnisse zu missbrauchen und sich widerrechtlich Zuständigkeiten des polnischen Staates anzueignen, die dieser ihr nicht übertragen hat".

Der von Regierungsgegnern "Maulkorb-Gesetz" genannte Rechtstext sieht vor, dass polnische Richter für Kritik an den bisherigen Justizreformen bestraft werden können. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS gibt an, gegen Korruption vorzugehen. Die Opposition wirft der Regierung hingegen vor, Richter mundtot machen zu wollen.

Kritikerin der PiS-Pläne verlässt Obersten Gerichtshof

Derweil heizt ein Personalwechsel den Streit über die polnische Justiz zusätzlich an: Nach dem Amtsende der Obersten Richterin Malgorzata Gersdorf berief Präsident Andrzej Duda am Donnerstag einen ehemaligen Beamten des Justizministeriums von der nationalistischen Regierungspartei PiS zum amtierenden Leiter des Obersten Gerichtshofs. Kamil Zaradkiewicz soll Duda nun fünf Kandidaten für die Nachfolge Gersdorfs vorschlagen.

Kritiker fürchten, dass nun jemand benannt wird, der den von der PiS angestoßenen Umbau des polnischen Justizsystems mitträgt. Per Gesetzesänderungen und Personalentscheidungen hat die PiS bereits große Teile der Justiz unter ihren Einfluss gebracht, nachdem sie 2015 an die Macht gekommen war. Die Amtszeit von Richterin Gersdorf lief am Donnerstag ab. Sie gilt als ausgesprochene Kritikerin der PiS-Pläne und hatte sich Mitte 2018 erfolgreich einer Zwangspensionierung widersetzt.

vks/AFP/Reuters

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