Drakonische Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19: In Shanghai werden kranke Kinder offenbar von ihren Eltern getrennt

Die Zero-Covid-Politik der chinesischen Regierung trifft Shanghai besonders hart. Bei einer Coronaerkrankung müssen Kleinkinder offenbar ihre Quarantäne in Sondereinrichtungen verbringen – ohne Vater oder Mutter.

Eine Frau steht hinter einer Absperrung bei einer Quarantäneeinrichtung in Shanghai

Foto: Alex Plavevski / EPA

Die strenge Null-Covid-Politik im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus in China sorgt international für Kritik. Besonders harte Maßnahmen werden aktuell in Chinas bevölkerungsreichster Stadt Shanghai ergriffen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge werden sogar positiv getestete Kleinkinder von ihren Eltern getrennt, wenn sie ein Krankenhaus aufsuchen.

DER SPIEGEL

»Esther Zhao glaubte, das Richtige zu tun, als sie ihre zweieinhalbjährige Tochter am 26. März mit Fieber in ein Krankenhaus in Shanghai brachte. Drei Tage später flehte Zhao die Gesundheitsbehörden an, die beiden nicht zu trennen, nachdem sie und das kleine Mädchen positiv auf Covid-19 getestet worden waren, und sagte, ihre Tochter sei zu jung, um in ein Quarantänezentrum für Kinder gebracht zu werden«, heißt es in dem Bericht.

Die Ärzte sollen der Frau daraufhin gedroht haben, sie selbst in ein anderes Zentrum zu verlegen, wenn sie der Verlegung der Tochter nicht zustimme. Seitdem habe Zhao nur eine kurze Nachricht in einem Gruppenchat mit Ärzten bekommen, dass es ihrer Tochter gut gehe.

Berichte von mehreren Fällen in den sozialen Medien

Offenbar häufen sich solche Berichte in chinesischen sozialen Medien. Videos, die auf den Plattformen Weibo und Douyin gepostet wurden, zeigen weinende Babys, die zu dritt in einem Kinderbett liegen. In einem anderen Video krabbelt ein stöhnendes Kleinkind aus einem Raum mit vier an die Wand gerückten Kinderbetten. Reuters gibt an, die Videos nicht verifizieren zu können, doch eine Quelle habe der Nachrichtenagentur bestätigt, sie seien im Shanghai Public Health Clinical Center im Bezirk Jinshan aufgenommen worden. Das Krankenhaus gilt aktuell als Quarantänezentrum für Kinder.

Lieferdienst-Übergabe bei einem Quarantänezentrum in Shanghai

Foto: ALEX PLAVEVSKI / EPA

Angesichts entsetzter Kommentare in sozialen Medien stritt die Klinik die Vorwürfe ab. Das Zentrum teilte bei seinem WeChat-Account mit, es handele sich um Szenen, die aufgenommen wurden, als das Krankenhaus seine pädiatrische Abteilung in ein anderes Gebäude verlegte, um die steigende Zahl der an Covid erkrankten Kinder zu bewältigen.

Posts werden gelöscht, doch die Empörung geht weiter

Am Samstag wurde ein kritischer Beitrag von Weibo gelöscht, heißt es weiter laut Reuters. Aber Tausende von Menschen kommentierten und posteten die Bilder weiter. »Das ist entsetzlich«, schrieb einer. »Wie konnte die Regierung nur einen solchen Plan aushecken?«, fragte ein anderer. In einigen Fällen seien Kinder im Alter von bis zu drei Monaten von ihren stillenden Müttern getrennt worden, wie aus Beiträgen in einer WeChat-Gruppe des Quarantänekrankenhauses hervorgeht, die Reuters vorliegen.

Corona-Absperrung bei einem Tunnel in Shanghai

Foto: ALEX PLAVEVSKI / EPA

Seit Beginn des jüngsten Ausbruchs in Shanghai vor etwa einem Monat haben die Behörden die Stadt mit 26 Millionen Einwohnern in einem zweistufigen Verfahren, das am Montag begann, abgeriegelt. Die Konsulate der USA, Frankreichs und Italiens haben ihre Bürger und Bürgerinnen in Shanghai gewarnt, dass es bei Covidkontrollen der chinesischen Behörden zu Familientrennungen kommen könnte, berichtet Reuters.

Shanghai meldete am Samstag 6051 lokal übertragene asymptomatische Covid-19-Fälle und 260 symptomatische Fälle für den 1. April, gegenüber 4144 asymptomatischen und 358 symptomatischen Fällen am Vortag.

col/Reuters