Gerichtsurteil in Kanada Den Mittelfinger zu zeigen ist »gottgegebenes Recht«

Gereckte Mittelfinger als Meinungsausdruck? Kann man machen – zumindest in Kanada
Foto: Robert Michael / dpaJemandem den Mittelfinger zu zeigen, gilt allgemein als derbe Beleidigung. Zumindest in Kanada kann man dagegen jedoch nicht mehr juristisch vorgehen. Ein Gericht in Quebec wies die Klage eines Mannes aus Montreal zurück, der sich durch seinen Mittelfinger-zeigenden Nachbarn beleidigt fühlte. Die überraschende Begründung: Den Mittelfinger zu zeigen sei ein »gottgegebenes Recht«, berichten kanadische Medien.
Richter Dennis Galiatsatos führte sein Urteil auf insgesamt 26 Seiten aus. »Um absolut eindeutig zu sein«, sagte er vor Gericht, »es ist keine Straftat, jemandem den Mittelfinger zu zeigen«. Er wurde gar patriotisch: Den Mittelfinger zu strecken, sei »ein gottgegebenes, in der Verfassung verankertes Recht, dass jedem heißblütigen Kanadier zusteht«. Galiatsatos bezieht sich in seinem Urteil auf die Kanadische Charta der Rechte und Freiheiten.
Die Geste sei vielleicht »nicht zivilisiert, nicht höflich, noch nicht mal sehr gentlemanlike«, sagte der Richter weiter. Aber dennoch wachse aus ihr keine Kriminalität. Er sei versucht, die Klage nicht nur abzuweisen, sondern direkt aus dem Fenster zu schmeißen. »Aber die Gerichtssäle in Montreal haben leider keine Fenster«, schloss Richter Galiatsatos.
Langanhaltende Nachbarschaftsfehde
Mit dem energischen Urteil wird ein Fall abgeschlossen, der sich lange zog: Der Angeklagte Fingerheber, Neall Epstein, war bereits im Mai 2021 von der Polizei festgenommen worden. Der 45-jährige Lehrer war von seinem Nachbarn Michael Naccache angezeigt worden.
Naccache fühlte sich damals gleich durch einen doppelten Fingerzeig bedroht. Laut Gerichtsakte war der 34-Jährige jedoch selbst nicht ganz unschuldig. So soll er Epstein mehrfach verbal attackiert haben und dann ein Werkzeug »in drohender Art« erhoben haben. Der bedrohte Lehrer hob darauf seine beiden Mittelfinger und ging weiter.
Es ist zu erwarten, dass das Urteil den Nachbarschaftsstreit nicht befrieden wird.