Internat für Kinder von Ureinwohnern Erneut Hunderte anonyme Gräber in Kanada entdeckt

150.000 Kinder kanadischer Ureinwohner wurden über die Jahrzehnte in kirchliche Heime gesteckt. Die Entdeckung von 215 Leichen erschütterte zuletzt das Land. Nun gibt es offenbar einen weiteren Fund.
Zeremonie nach dem Fund der Überreste von 215 Kindern (Anfang Juni): Die Heime prägten ganze Generationen

Zeremonie nach dem Fund der Überreste von 215 Kindern (Anfang Juni): Die Heime prägten ganze Generationen

Foto: COLE BURSTON / AFP

In Kanada sind auf einem Gelände in der Nähe eines früheren katholischen Internats für Kinder von Ureinwohnern erneut Hunderte anonyme Gräber entdeckt worden. So viele nicht gekennzeichnete Gräber seien bislang noch nie gefunden worden, erklärten die indigene Gemeinschaft Cowessess und die Föderation souveräner indigener Nationen (FSIN) am Mittwoch. Sie kündigten für Donnerstag weitere Details zu den Ausgrabungen in der Provinz Saskatchewan an.

Ende Mai waren bereits auf dem Gelände des früheren katholischen Internats nahe der Kleinstadt Kamloops in der Provinz British Columbia die sterblichen Überreste von 215 indigenen Kindern  entdeckt worden. Sie sorgten landesweit für Erschütterung, Uno-Menschenrechtsexperten forderten eine umfassende Aufklärung der Hintergründe. Forderungen an den Vatikan, sich zu entschuldigen und alle Dokumente zu den Vorgängen herauszugeben, blieben zunächst unbeantwortet.

Mindestens 3200 Kinder starben an Tuberkulose

In Kanada waren ab 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Nach bisherigen Angaben starben mindestens 3200 dieser Kinder, die meisten an Tuberkulose.

Nach der Entdeckung der Kinderleichen in Kamloops wurden in ganz Kanada mit Unterstützung der Behörden Ausgrabungen in der Nähe ehemaliger Schulen für Kinder von Ureinwohnern vorgenommen, darunter auch in dem Dorf Marieval. Dort gab es von 1899 bis 1997 ein katholisches Internat für indigene Kinder. Es wurde zwei Jahre später abgerissen und durch eine andere Schule ersetzt.

Viele indigene Gemeinschaften machen die Heime, die ganze Generationen geprägt haben, heute für soziale Probleme wie Alkoholismus, häusliche Gewalt und erhöhte Selbstmordraten verantwortlich. Ottawa entschuldigte sich im Jahr 2008 offiziell bei den Überlebenden der Internate. Sie seien Opfer eines »kulturellen Genozids«, stellte eine Untersuchungskommission im Jahr 2015 fest.

asa/AFP

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