Dürre in Europa Katalanischer Stausee wird leer gefischt, um Trinkwasserversorgung zu retten

Normalerweise versorgt er die ganze Region mit Wasser – jetzt ist der Sau-Stausee schon im März zu 90 Prozent geleert. Um das Trinkwasser zu retten, müssen Tausende Fische sterben. Unterdessen wird der See selbst zur Touristenattraktion.
Die Kirche von Sant Romà de Sau versank für den Stausee einst in den Fluten, nun steht sie wieder an Land

Die Kirche von Sant Romà de Sau versank für den Stausee einst in den Fluten, nun steht sie wieder an Land

Foto: Emilio Morenatti / AP
Globale Gesellschaft

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Als die Kirche von Sant Romà de Sau im Wasser versank, war man sich sicher, dass es sich lohnt. Der Stausee von Sau sollte Katalonien Wasser und Energie schenken. Dafür verzichtete man im katholischen Spanien sogar auf ein Gotteshaus. Das ist mehr als 60 Jahre her, 1962 wurde das Großprojekt vollendet. Nun ist die Kirche wieder da, das Wasser aber weg. Und wann und wie es wieder kommt, ist unsicherer denn je.

Bis auf zehn Prozent seines Volumens schrumpfte der Inhalt des Stausees schon in den vergangenen Monaten. Doch wenn die Kirche wieder im Trockenen steht, ist die Trinkwasserversorgung von Millionen Menschen in Gefahr. Es ist März und der See praktisch leer. Es ist der niedrigste Pegelstand seit 1990. Die Ufer des Flusses Ter, der den See normalerweise speist, sind schon seit Monaten weitgehend ausgetrocknet.

Mindestens 16 Tonnen Fisch sollen gefangen werden

Um das Schlimmste zu verhindern, wird der Stausee nun abgefischt. Mit bis zu fünf Booten sollen über Tage hinweg Tausende Fische gefangen und getötet werden. »Wenn wir nichts unternehmen und es nicht regnet, werden die Fische sowieso sterben und die Wasserqualität beeinträchtigen«, sagte Jordi Ruiz von der Regionalregierung laut der Zeitung »El Periodico« . Im Stausee werden bis zu 60 Tonnen Fisch vermutet, von denen 80 Prozent invasive Arten sein sollen. Die Welse, Karpfen und Zander wurden mutmaßlich zum Angeln eingesetzt.

Die Ufer des Flusses Ter, der den See normalerweise speist, sind schon seit Monaten weitgehend ausgetrocknet

Die Ufer des Flusses Ter, der den See normalerweise speist, sind schon seit Monaten weitgehend ausgetrocknet

Foto: Emilio Morenatti / AP

Den invasiven Fischen droht nun der Tod, den heimischen Arten die Umsetzung in andere Gewässer. Insgesamt sollen mindestens 16 Tonnen Fisch gefangen werden, vielleicht auch noch mehr. Die getöteten Tiere könnten zu Dünger oder Biodiesel verarbeitet werden, berichten örtliche Medien.

»Eine so ernste Situation hat es noch nie gegeben«

Der Sau-Stausee versorgt ein Netz weiterer Seen und Gewässer, die nun ebenfalls unter der lang anhaltenden Trockenheit leiden. Schon im vergangenen Herbst waren die katalanischen Stauseen nur noch zu gut einem Drittel gefüllt. Seitdem hat sich die Lage weiter zugespitzt. »Eine so ernste Situation hat es am Sau-Stausee noch nie gegeben, es ist ein Extremszenario«, wird Elisabet Mas, Expertin der katalanischen Wasserbehörde ACA, zitiert .

Doch selbst jetzt reicht das Wasser nach Behördenangaben noch, um eine Million Menschen etwa drei Monate lang mit Trinkwasser zu versorgen – zumindest solange es nicht kontaminiert ist.

Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass der Stausee von Sau fast ohne Wasser ist. Bereits 2005 sank das Gewässer tief unter seinen sonst üblichen Pegel – doch damals initiierten die Behörden selbst die Entleerung, um den Fischbestand zu regulieren. Nun ist es die anhaltende Dürre, die sie dazu zwingt.

Europaweit zeichnet sich ein weiteres Dürrejahr ab

Auch andernorts in Europa kam es in den vergangenen Wochen zu bislang kaum gekannter Trockenheit: Frankreich erlebte die längste Zeit ohne Niederschläge seit Beginn der Aufzeichnungen. In Spanien wurden Temperaturen gemessen, wie sie sonst erst im Juni oder Juli erwartet werden. Die extreme Trockenheit zieht sich nun schon über mehrere Jahre. Und Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sie noch mindestens ein weiteres Jahr anhält. Europaweit zeichnet sich ein weiteres Dürrejahr ab.

Bereits im vergangenen November floss kaum noch Wasser in Richtung See

Bereits im vergangenen November floss kaum noch Wasser in Richtung See

Foto: Emilio Morenatti / AP

Die Kirche von Sant Romà de Sau wurde aufgrund dieser Situation bereits im vergangenen Jahr trockengelegt. Inzwischen hat sich das wieder aufgetauchte Gotteshaus offenbar so stark zu einem Besuchermagnet entwickelt, dass die Behörden den Zugang zum Wasser weitgehend einschränken mussten.  Die Situation dürfte sich nicht nur an diesem See in den kommenden Monaten weiter zuspitzen. Bislang scheinen die Folgen für manche allerdings eher faszinierend als einschüchternd zu sein.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft

Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.

Ein ausführliches FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.

jpe
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