Ukrainischer Botschafter kritisiert Kay-Achim Schönbach »Deutsche Arroganz und Größenwahn«

Die Ukraine ist empört über die Äußerungen von Marinechef Schönbach, der nun sein Amt abgeben wird. Die deutsche Botschafterin in Kiew wurde zum Gespräch gebeten – und erneut die Lieferung von Waffen eingefordert.
Andrij Melnyk

Andrij Melnyk

Foto: Thomas Trutschel / photothek / imago images

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat den Rücktritt des deutschen Marinechefs Kay-Achim Schönbach wegen umstrittener Äußerungen über den Ukrainekonflikt als unzureichend bezeichnet. »Wir begrüßen zwar, dass Herr Schönbach seinen Rücktritt angeboten hat«, sagte Melnyk der »Welt«. Der Eklat hinterlasse aber »einen Scherbenhaufen« und stelle die internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands »massiv infrage«.

Schönbach hatte sich am Freitag bei einem Besuch in Indien zum Konflikt zwischen Russland und der Ukraine geäußert. Den von westlichen Staaten befürchteten Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine bezeichnete er dabei als »Nonsens«. Was Russlands Präsident Wladimir Putin wirklich wolle, sei »Respekt auf Augenhöhe«, sagte der Vizeadmiral. »Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er will – und den er wahrscheinlich auch verdient.«

Zudem äußerte Schönbach sich zu der im Jahr 2014 von Russland annektierten ukrainischen Krim. »Die Krim-Halbinsel ist verloren, sie wird niemals zurückkehren«, sagte Schönbach.

»Gesamte ukrainische Öffentlichkeit in tiefen Schock versetzt«

Der Botschafter kritisierte, die Aussagen Schönbachs hätten »die gesamte ukrainische Öffentlichkeit in tiefen Schock versetzt«. Melnyk zog dabei einen Vergleich zur Zeit des Nationalsozialismus: »Die Ukrainer fühlten sich bei dieser herablassenden Attitüde unbewusst auch an die Schrecken der Nazibesatzung erinnert, als die Ukrainer als Untermenschen behandelt wurden«, sagte er.

Melnyk sprach zudem von einer »zynischen Verharmlosung der völkerrechtswidrigen Krim-Besetzung« und einem mit Hochnäsigkeit vorgetragenen Bezweifeln der Souveränität der Ukraine. Aus den Äußerungen des inzwischen zurückgetretenen Marinechefs spreche »deutsche Arroganz und Größenwahn, mit denen einer der hochrangigsten Köpfe der Bundeswehr von einer heiligen Allianz mit Kriegsverbrecher Putin und einem deutsch-russischen modernen Kreuzzug gegen China träumt«. Melnyk bezog sich damit auf eine weitere Äußerung Schönbachs, der gesagt hatte: »Wir brauchen Russland gegen China.«

Schönbach hatte am Samstag nach dem Eklat seinen Rücktritt eingereicht, der von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) angenommen wurde. Der Vizeadmiral wurde mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden. Die ukrainische Regierung hatte wegen der umstrittenen Äußerungen Schönbachs die deutsche Botschafterin in Kiew einbestellt.

»Wir sind enttäuscht über Deutschlands anhaltende Weigerung«

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte derweil die Weigerung der Bundesregierung, Waffen an sein Land zu liefern. »Wir sind enttäuscht über Deutschlands anhaltende Weigerung, die Lieferung defensiver Waffen in die Ukraine zu genehmigen, besonders in der derzeitigen Situation«, sagte Kuleba der »Welt am Sonntag«. »Wir wären noch enttäuschter, wenn Deutschland nicht nur ablehnte, uns defensive Waffen zu liefern, sondern auch noch andere daran hindern würde, dies zu tun.«

Die US-Zeitung »Wall Street Journal« hatte am Freitag berichtet, Deutschland blockiere die Lieferung deutscher Waffen durch Estland an die Ukraine. Kueba betonte, die Ukraine stehe unter keinem Waffenembargo. Sie habe nie militärische Angriffsoperationen geplant und tue das auch jetzt nicht. Je stärker die Ukraine jetzt sei, desto niedriger sei das Risiko eines weiteren militärischen Konfliktes mit Russland. »Wir sind eine Nation, die seit 2014 angegriffen wird, und wir wollen einfach in der Lage sein, uns zu verteidigen und einen größeren Konflikt zu verhindern«.

Er respektiere die deutschen Verweise auf die Vergangenheit, um die aktuelle Politik zu erklären, aber er könne dem nicht zustimmen. »Die Ukraine hat immense Verluste und Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erlitten. Nun, da wir erneut leiden und bedroht werden, ist die einzig angemessene Politik, uns zu erlauben, uns zu verteidigen«. Deutschland habe in der Vergangenheit Fehler gegenüber der Ukraine begangen. Ein Teil der deutschen Verantwortung bestehe darin, »heute die richtigen Entscheidungen zu treffen«.

dop/AFP/Reuters
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