Flüchtlinge an Grenze zu Polen Belarus macht EU für die Krise verantwortlich

Belarussischer Außenminister Wladimir Makei (links) mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow
Foto: Yury Kochetkov / dpaWährend Tausende Flüchtlinge bei eisigen Temperaturen im Grenzgebiet zwischen Belarus und Polen festsitzen, übt sich das Regime in Minsk in Schuldzuweisungen: Der Westen sei für die Krise an der Grenze zu Polen verantwortlich – mit dem Ziel weiterer Sanktionen gegen Minsk, sagte der belarussische Außenminister Wladimir Makei bei einem Besuch in Moskau.
»Die Flüchtlingskrise wurde von der EU selbst und ihren an Belarus angrenzenden Staaten provoziert«, sagte er. Belarus hoffe auf eine »gegenseitige Unterstützung« von und durch Russland, »einschließlich einer gemeinsamen Antwort auf unfreundliche Aktionen gegen unser Land«.
»Im Hinblick auf eine fünfte Runde von Sanktionen, über die im Westen bereits gesprochen wird, ist der Vorwand diesmal die Migrationskrise«, sagte Makei. Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte, Minsk und Moskau hätten ihre Zusammenarbeit wirksam verstärkt, »um einer von Washington und seinen europäischen Verbündeten in internationalen Organisationen initiierten Kampagne gegen Belarus entgegenzuwirken«.
Die Europäische Union (EU) wirft dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, absichtlich Migranten aus dem Nahen Osten ins Land zu bringen und dann in Richtung der EU-Staaten Lettland, Litauen und Polen zu schleusen, um auf diese Weise Vergeltung für Brüsseler Sanktionsbeschlüsse zu üben. Bundesaußenminister Heiko Maas drohte Lukaschenko in der Nacht zu Mittwoch mit einer Ausweitung und Verschärfung der EU-Sanktionen. Diese waren unter anderem wegen Wahlbetrugs verhängt worden.
Merkel bittet Putin, auf Belarus einzuwirken
Eine engere Zusammenarbeit zwischen Belarus und Russland dürfte dem Wunsch der Bundesregierung entgegenstehen, Moskau möge Einfluss auf Belarus ausüben, um das Regime in Minsk von seiner bisherigen Linie abzubringen. In einem Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Morgen, »dass die Instrumentalisierung von Migranten durch das belarussische Regime unmenschlich und inakzeptabel« sei, wie Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter mitteilte. Merkel habe Putin gebeten, auf das Regime einzuwirken.
Kanzlerin #Merkel hat heute mit Präsident Putin zur Lage an der belarussisch-polnischen Grenze telefoniert. Sie unterstrich, dass die Instrumentalisierung von Migranten durch das belarussische Regime unmenschlich und inakzeptabel sei und bat Präs. Putin, auf dieses einzuwirken.
— Steffen Seibert (@RegSprecherStS) November 10, 2021
Polen erwägt laut Regierungssprecher Piotr Müller derweil, die Grenze zu Belarus komplett zu schließen. Dies werde als Option in weiterreichenden Szenarien berücksichtigt, sagte er im Interview mit dem Portal »Wirtualna Polska«. Die belarussischen Behörden seien informiert worden, dass eine solche Möglichkeit bestehe, wenn sie ihre Aktivitäten nicht einstellten. Eine Rückmeldung von belarussischer Seite habe es dazu bislang nicht gegeben.
Auch die Ukraine verstärkt unterdessen wegen der vielen Migranten in Belarus ihre Grenztruppen. Sie sollen Grenzübertritte verhindern. »Die Grenzschutzorgane werden mit Personal, Technik und Spezialmitteln, darunter Drohnen, sowie mit Diensthunden verstärkt«, sagte der stellvertretende Innenminister Jewhenij Jenin. Zugleich warf er dem Nachbarland vor, die Lage in der Ukraine mithilfe von Migranten destabilisieren zu wollen.
Die Lage im belarussisch-polnischen Grenzgebiet spitzt sich zu. Beide Länder haben Soldaten in dem Gebiet stationiert. In den vergangenen 24 Stunden kam es vermehrt zu Grenzdurchbrüchen. Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak sprach von einer unruhigen Nacht. Zuvor hatte bereits ein polnischer Fernsehsender berichtet, dass Zäune und Barrieren gewaltsam niedergerissen worden seien. Demnach seien einige der Geflüchteten nach Belarus zurückgebracht worden, andere aber weiterhin in Polen.