Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL

Massive Abholzung im Kongo Rebellion im Regenwald

Der Regenwald der Demokratischen Republik Kongo gehört zu den wichtigsten Ökosystemen der Welt. Doch internationale Holzfirmen schlagen illegal Bäume. Die Einheimischen wehren sich – mit Erfolg.
Aus Ingende, DR Kongo, berichten Heiner Hoffmann, Arsène Mpiana (Fotos) und -
Globale Gesellschaft

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Plötzlich beginnt der Boden zu vibrieren, das Brummen wird immer lauter. Dann tauchen in der Dunkelheit fünf Lkw auf, rollen dröhnend über die Straße aus roter Erde. Vorsichtig manövrieren sie um die engen Kurven im Dorf.

Auf ihren Hängern liegen, aufeinandergestapelt, mächtige Baumstämme. Geschlagen im Regenwald des Kongobeckens, einem der größten Waldgebiete des Planeten.

Die Lkw bringen das kostbare Gut zur Anlegestelle von Ingende, einem abgeschiedenen Ort, mehr als acht Autostunden von der nächsten größeren Stadt entfernt. Von Ingende aus werden die Stämme erst den Ruki- und dann den Kongofluss entlanggeschippert, bis sie schließlich Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, erreichen. Von dort geht es weiter bis zum Atlantischen Ozean, dann nach Asien und Europa. Wertvolles Tropenholz auf Weltreise.

Läuft man als Weißer durch Ingende, rufen die Bewohnerinnen und Bewohner beständig »Chinois«, »Chinese«. Denn an deren Gegenwart haben sie sich gewöhnt, seitdem chinesische Firmen den Holzabbau vor Ort übernommen haben. Beliebt sind sie nicht.

»Die Chinesen respektieren unsere Kultur nicht«, sagt ein Sicherheitsbeamter, der für Besucher aus dem Ausland zuständig ist. Am Lenker seines Motorrads hängen Handschellen. »Wenn sie sich mal nicht benehmen«, lacht er.

Doch es sind weitgehend leere Worte in einem Land, dessen Rohstoffe einer kleinen Elite nützen und meist von ausländischen Firmen ausgebeutet werden. Holz ist eine der wichtigsten Ressourcen des Kongo, weite Teile des Landes sind mit Regenwald bedeckt. Nach dem Amazonas ist es die größte Tropenwaldfläche des Planeten, eine grüne Lunge, die für das Weltklima von zentraler Bedeutung ist. Durch diese grüne Lunge rollen seit 2018 chinesische Lkw.

Eigentlich dürfen im Kongo seit fast 20 Jahren keine neuen Lizenzen an Holzfirmen mehr vergeben werden, ein Ergebnis des internationalen Drucks auf das Land. Zu stark hatte sich die Ausbeutung durch den Regenwald gefressen, zu viel stand auf dem Spiel. Nun hat die Umweltministerin angekündigt, dieses Moratorium zu kippen, das Land steckt in einer Wirtschaftskrise und braucht dringend Devisen. So könnten bald noch mehr Firmen in den Kongo kommen, um die Ressource Wald auszubeuten. Zahlreiche Naturschutzorganisationen laufen Sturm gegen diesen Plan.

Im Umland des Örtchens Ingende zeigt sich schon jetzt, in welch rechtsfreiem Raum die Holzfirmen agieren. Doch in Ingende lässt sich auch beobachten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Regenwalds diesem Tun nicht mehr tatenlos zusehen. Sie erobern die Kontrolle über ihren Wald zurück – auch mithilfe moderner Technik.

Labelle Bokele und Papy Bonkale stehen neben einem riesigen Baumstumpf, sie wollen zeigen, wie ihre kleine Rebellion funktioniert. Dafür öffnen sie einen Plastikkoffer, holen eine weiße Scheibe und eine schwarze Box heraus. Es ist ein Satellitenreceiver, sie schließen ihn an ihr Blackberry-Smartphone an. Das System nennt sich ForestLink , bereitgestellt und betreut von der britischen Organisation Rainforest Foundation.

Per Lkw werden die riesigen Baumstämme zum Hafen von Ingende gebracht

Per Lkw werden die riesigen Baumstämme zum Hafen von Ingende gebracht

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Labelle Bokele (links) und Papy Bonkale (rechts) führen das ForestLink-System vor

Labelle Bokele (links) und Papy Bonkale (rechts) führen das ForestLink-System vor

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Am Flussufer warten die Baumstämme aus dem Regenwald auf Abtransport Richtung Kinshasa

Am Flussufer warten die Baumstämme aus dem Regenwald auf Abtransport Richtung Kinshasa

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL

Das Smartphone liefert ihnen anschließend genaue GPS-Daten – mitten im Regenwald, in dem sonst kaum jemand ein Handy hat, weil es ohnehin weit und breit keinen Empfang gibt in dieser völlig entlegenen Gegend.

Dann holen Bokele und Bonkale ein Maßband aus ihrem kleinen Koffer und checken den Durchmesser des Baumstumpfs. Die Ergebnisse halten sie auf Fotos fest, es sind wichtige Beweismittel. Denn die beiden sind sogenannte Waldbeobachter, sie dokumentieren mutmaßliche Verfehlungen der chinesischen Firmen. Per App können sie auf ihrem Smartphone die Beweise eingeben und in verschiedene Kategorien einteilen.

Was sie hier vorführen, geschieht normalerweise innerhalb der Konzessionen der Holzfirmen, doch dort haben die Reporter von SPIEGEL und ARD auf ihrer gemeinsamen Recherchereise keinen Zutritt. Anders als die Waldbeobachter, denn das kongolesische Recht erlaubt Ortsansässigen, sich frei zu bewegen – und Beweise zu sammeln. Oft gehen sie früh am Morgen, im Schutze der Dämmerung, um eine Konfrontation mit den Vorarbeitern zu vermeiden.

»Es ist der Mangel an Respekt, der mich wütend macht. Einmal habe ich dokumentiert, wie die Firma Bäume gefällt hat, die noch sehr klein waren. Damit zerstören sie die Lebensgrundlage unserer Kinder«, erzählt Labelle Bokele.

Eigentlich müssen sich die Holzkonzerne an zahlreiche Vorgaben halten: Sie dürfen nur eine bestimmte Fläche und nur größere alte Bäume roden, damit der Wald nachwachsen kann. Ebenso verboten ist es, an Hanglagen und in der Nähe von Dörfern, Flüssen oder Quellen zu fällen.

Doch die Praxis sieht meist anders aus. Experten vermuten, dass der Großteil des Holz-Exports aus dem Kongo illegal geschlagen wurde . Die Regierung kontrolliert nur selten, und oft sind hochrangige Funktionäre in dubiose Deals verwickelt. Auch die chinesische Firma, die 2018 in Ingende aktiv wurde, geriet wegen solcher Deals in die Schlagzeilen.

Vor drei Jahren hatte das Umweltministerium plötzlich, kurz vor der Präsidentschaftswahl, mehreren Unternehmen bestehende Lizenzen entzogen. Wenige Tage später gingen die Lizenzen in den Besitz der Familie eines berüchtigten kongolesischen Generals, Spitzname »Tango Four«, über. Die wiederum verkaufte kurz darauf ihre gesamte Firma und damit auch die Konzessionen laut der Organisation Global Witness  an die Chinesen weiter, ein lukrativer Deal.

Bootsfahrt durch den Regenwald entlang des Ruki River

Und ein Verstoß gegen das Holzfäll-Moratorium, wie sich zahlreiche Nichtregierungsorganisationen empörten. Vergebens – bis heute sind weite Teile der Holzindustrie in chinesischer Hand, so wie im Gebiet Ingende. Auch wenn die Firmennamen auf dem Papier in der Zwischenzeit mehrfach wechselten. Die Regierung hat vor wenigen Tagen angekündigt, alle umstrittenen Waldkonzessionen im Kongo auf den Prüfstand zu stellen. Doch viele Bewohnerinnen und Bewohner bleiben skeptisch – und wehren sich lieber selbst.

Vor zwei Jahren gelang ihnen ein spektakulärer Schlag. Joseph Bolongo erinnert sich noch genau an diesen Tag, den 28. März 2019, ein Donnerstag. Er arbeitet für die NGO Gashe, die die Waldbeobachter ausbildet und betreut.

In dieser Woche im März 2019 klingelte sein Telefon beständig, es meldeten sich aufgebrachte Beobachter aus dem Dorf Loselinga. »Sie sagten, dass plötzlich Chinesen gekommen seien und angefangen hätten, Bäume zu fällen. Sie wollten, dass wir schnell kommen«, erinnert sich Bolongo. Er reagierte sofort.

Bolongo alarmierte mehrere Behörden, darunter das Umweltministerium der Provinz. Sofort wurde eine Ad-hoc-Mission auf die Beine gestellt. Sie stiegen gemeinsam mit uniformierten Polizisten in ein Schnellboot und rasten den Ruki River entlang. Bolongo hielt den Einsatz auf seiner Kamera fest, es ist eine Art Trophäe für ihn, ein Hoffnungsschimmer, dass es auch anders laufen könnte in der DR Kongo.

Per App geben sie mutmaßliche Verstöße ein

Per App geben sie mutmaßliche Verstöße ein

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Der Ruki River ist die Lebensader der Gegend, er ist Transportweg, Wasserquelle, Waschplatz und Fischgrund

Der Ruki River ist die Lebensader der Gegend, er ist Transportweg, Wasserquelle, Waschplatz und Fischgrund

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL

Schon beim Anlegen fanden die Inspekteure einen mobilen Steg zum Abtransport von Holz vor, darauf und dahinter schwere Maschinen und verwundert dreinblickende chinesische Vorarbeiter. Die hatten es sich im Wald gemütlich gemacht, Zelte aufgeschlagen und eine Kochstelle eingerichtet.

Es stellte sich laut Bolongo heraus: Die Firma war weit außerhalb ihrer erlaubten Konzession unterwegs – in einem Gebiet, in dem eigentlich nur Einheimische in kleinem Stil Holz schlagen dürfen. Doch Bulldozer hatten bereits Schneisen der Verwüstung in den Wald gefurcht.

Nach einer lauten Auseinandersetzung führt die Polizei einen chinesischen Vorarbeiter in Handschellen ab, kurz darauf steht er in der Stadt Mbandaka vor Gericht. Die Beweise scheinen erdrückend.

Aber das Verfahren läuft anders, als es Joseph Bolongo und seine Mitstreiter erwartet hatten. Zuerst wird der Beschuldigte auf Kaution freigelassen. Kurz darauf wird das Verfahren mit Verweis auf eine angeblich geleistete Strafzahlung und fehlende Beweise eingestellt, der Angeklagte freigesprochen. Beobachter vermuten politische Einflussnahme hinter der Entscheidung. Joseph Bolongo und seine Mitstreiter prüfen noch, ob sie in Berufung gehen wollen.

Die Einsatzkräfte fanden einen Steg zum Abtransport von Holz und schwere Maschinen vor – außerhalb der eigentlichen Konzession der chinesischen Firma

Die Einsatzkräfte fanden einen Steg zum Abtransport von Holz und schwere Maschinen vor – außerhalb der eigentlichen Konzession der chinesischen Firma

Foto: GASHE
Joseph Bolongo klärt Bewohnerinnen und Bewohner des Waldes über ihre Rechte auf

Joseph Bolongo klärt Bewohnerinnen und Bewohner des Waldes über ihre Rechte auf

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Ein chinesischer Vorarbeiter landete vor Gericht. Am Ende wurde er freigesprochen, mit Verweis auf eine angeblich geleistete Strafzahlung

Ein chinesischer Vorarbeiter landete vor Gericht. Am Ende wurde er freigesprochen, mit Verweis auf eine angeblich geleistete Strafzahlung

Foto: GASHE

Er bezeichnet das Verfahren trotzdem als Meilenstein. Es war das erste Mal, dass die Zivilgesellschaft eine Holzfirma vor Gericht bringen konnte. Der Fall machte Schlagzeilen, der Konzern wurde laut Berichten sein Holz auf dem Weltmarkt kaum noch los.

Die Firma wechselte daraufhin den Namen, über einen weiteren Deal wanderte die Konzession noch einmal in neue Hände. Was blieb, ist die Nationalität der Besitzer. Und mutmaßliche Verstöße gegen die Auflagen.

Verstöße, die von den Waldbeobachtern weiterhin Woche für Woche dokumentiert werden. »Die Zahl der staatlichen Kontrolleure im Kongo reicht nicht aus. Deswegen beteiligen sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst an den Kontrollen. Sie kennen die Gebiete genau. Wenn sie etwas Illegales entdecken, leiten wir es direkt an die staatlichen Stellen weiter«, erzählt Projektleiter Bolongo.

Dem SPIEGEL liegt eine Liste dieser Meldungen vor, abgesendet von den Waldbeobachtern seit 2018. Allein in der chinesischen Konzession um Ingende sind es 81. Darunter zwölf mutmaßliche Fälle illegalen Abholzens und 31 mutmaßliche Verstöße gegen das korrekte Kennzeichnen von gefällten Baumstämmen. Diese Kennzeichnungen sind wichtig, um überwachen zu können, ob sich die Konzessionäre an die vereinbarten Höchstmengen halten. Im Kongo insgesamt haben die Beobachterinnen und Beobachter mehr als 400 ForestLink-Meldungen abgesetzt.

Labelle Bokele zieht nun schon seit zwei Jahren regelmäßig durch das Unterholz: »Die chinesische Firma nimmt keine Rücksicht auf uns und unseren Wald, sie fällen sogar auf unseren Grabstätten Bäume. Sie fällen die Bäume, auf denen Raupen leben. Einmal habe ich gesehen, wie sie so einen Baum geschlagen und dann einfach liegen lassen haben. Das macht mich wütend«, schimpft sie. Die Raupen sind ein wichtiges Nahrungsmittel für die Bewohnerinnen und Bewohner des Waldes, eine unverzichtbare Proteinquelle.

Auch Papy Bonkale, ihr Begleiter auf dieser Mission, hat ähnliche Fälle erlebt. »Es freut mich, wenn wir einen Alarm absetzen. Es kann am Ende dazu führen, dass die Verstöße aufhören, zumindest schrittweise. Das wollen wir erreichen«, erzählt er.

Der Kampf ist ungleich, und trotzdem schaffen es die Bewohner ab und an, sich mit dem Holzkonzern gütlich zu einigen – die gesammelten Beweise dienen als Druckmittel. Nehmen die Verstöße überhand, blockieren sie die Straße und erzwingen so eine Lösung.

Irgendwann, so hoffen sie, könnte es vielleicht doch noch zu einem großen Gerichtsverfahren kommen. Doch in einem Land wie dem Kongo, in dem Gerechtigkeit vor allem eine Frage des Geldes ist, bleibt das eher eine vage Hoffnung. »Die Behörden reagieren überhaupt nicht«, sagt Waldbeobachterin Labelle Bokele. Der Fall des festgenommenen Chinesen, er war für die Bewohner Hoffnungsschimmer und Enttäuschung zugleich.

Labelle Bokele vermisst einen Baumstumpf

Labelle Bokele vermisst einen Baumstumpf

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Mit Satellitentechnik wollen die Waldbeobachterinnen und -beobachter gegen illegale Abholzung vorgehen

Mit Satellitentechnik wollen die Waldbeobachterinnen und -beobachter gegen illegale Abholzung vorgehen

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Eigentlich sollten hier Kinder lernen: Die Gelder für diese Schule wurden unterschlagen

Eigentlich sollten hier Kinder lernen: Die Gelder für diese Schule wurden unterschlagen

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL

Manchmal werden die Aktivistinnen und Aktivisten sogar zu Vorkämpfern gegen betrügerische Lokalpolitiker. So erging es Papy Bonkale, als er vor einigen Monaten wieder einmal per Satellitenreceiver und Smartphone einen Alarm absetzte: Eine Schule lag brach am Wegesrand, in den Wänden riesige Lücken. Eigentlich ist das Gebäude Teil eines Sozialplans, den der chinesische Konzern erfüllen muss. Nach Bonkales Meldung begannen die Behörden der Sache nachzugehen, am Ende kam heraus: Der Holzkonzern hatte gezahlt, das Geld wurde von lokalen Amtsträgern unterschlagen. Der mutmaßlich verantwortliche Dorfvorsteher landete im Gefängnis.

Und der Kampf der Bewohnerinnen und Bewohner geht weiter. Nicht nur mit Apps versuchen sie die Macht der Konzerne zu brechen, sie erobern ihren Wald auch mithilfe eines anderen Konzeptes zurück: der sogenannten Gemeinschaftswälder.

Ein schmaler Pfad führt durch meterhohe Bäume und Gestrüpp, plötzlich lichtet sich der Regenwald. Auf dieser Lichtung stehen knapp ein Dutzend Hütten, sie formen die Dörfer Bofekalasumba und Inganda.

Frauen mit Körben auf dem Rücken und Männer mit Macheten in der Hand kommen aus dem Wald oder verschwinden im dichten Grün. Viele von ihnen gehören zur indigenen Volksgruppe der Pygmäen, die sich im Laufe der Jahrhunderte mit den zugewanderten Bantu vermischt hat.

In den vergangenen Jahren war auch in ihrer Nähe unter anderem ein chinesischer Holzkonzern unterwegs, die Bewohnerinnen und Bewohner versprachen sich vom Kahlschlag ein bisschen Reichtum. Doch der Wunsch ging nicht in Erfüllung. »Wir konnten uns nicht wehren, auch wenn die Firmen nur fünf Dollar pro Kubikmeter Holz abführen mussten«, sagt der Anführer des Dorfes Inganda, Nico Boketa.

Auf dem europäischen Markt können die Unternehmen für Tropenholz bis zu 900 Euro pro Kubikmeter kassieren. »Und sie haben mit schweren Maschinen unsere Wälder zerstört, auch die kleinen Bäume«, sagt Boketa.

Damit ist nun Schluss, zumindest in Inganda und Bofekalasumba. Die Bewohner haben bei den kongolesischen Behörden durchgesetzt, dass ihr Wald unter Schutz gestellt wird. Kein Unternehmen darf hier mehr fällen. Einzig die Bewohner dürfen weiterhin Bäume schlagen und ihren Wald ökonomisch nutzen, allerdings nur in sehr kleinem Maßstab.

Der Anbau von Maniok ist von zentraler Bedeutung: Die Bewohnerinnen und Bewohner essen die Blätter der Pflanze, die Wurzeln werden zu einem Mehl gestampft und anschließend zu Fufu, einer Art Polenta, zubereitet

Der Anbau von Maniok ist von zentraler Bedeutung: Die Bewohnerinnen und Bewohner essen die Blätter der Pflanze, die Wurzeln werden zu einem Mehl gestampft und anschließend zu Fufu, einer Art Polenta, zubereitet

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Inganda feiern die offizielle Anerkennung als Gemeinschaftswald

Die Einwohnerinnen und Einwohner von Inganda feiern die offizielle Anerkennung als Gemeinschaftswald

Foto: Arsène Mpiana Monkwe / DER SPIEGEL

Joseph Bolongo und seine Organisation Gashe überwachen, ob sie sich daran halten. »Die Leute hier hängen vom Wald ab, es ist ihr Leben. Wenn sie den Wald schädigen, bekommen sie selbst die Konsequenzen zu spüren. Es liegt in ihrem Interesse, nachhaltig zu wirtschaften«, sagt er.

Die Idee der Gemeinschaftswälder ist eine Art Gegenentwurf zum »Ich-baue-einen-Zaun-Naturschutz«, der anderswo in Afrika so oft praktiziert wird. Aus vielen Schutzgebieten wurden Einwohnerinnen und Einwohner schlichtweg verdrängt, verloren ihre Lebensgrundlage. Die Gemeinschaftswälder hingegen sollen zum einen industrielle Ausbeutung durch ausländische Firmen verhindern, zum anderen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst zu Naturschützern machen.

Alles hier in Inganda und Bofekalasumba folgt einem festen Rhythmus: das Brandroden von kleinen Waldflächen für den Anbau von Mais und Maniok, dem Hauptnahrungsmittel der Region. Das Schlagen von Gehölzen für Feuerholz. Das Leben folgt jahrhundertealten Regeln. Es gibt zugewiesene Flächen für Landwirtschaft, andere bleiben unberührt.

Noch ist die Idee der Gemeinschaftswälder relativ jung im Kongo, ein paar Dutzend gibt es erst, die meisten stehen noch ganz am Anfang. Kritiker befürchten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner den Naturschutz aus den Augen verlieren und selbst Raubbau betreiben könnten.

Dorfbewohnerin Nadiana Bekombe widerspricht: »Der Wald ermöglicht es uns, Nahrungsmittel anzubauen, Fische zu fangen und Wild zu jagen. Deshalb schützen wir ihn. Wir werden uns nicht mehr auf Abenteuer einlassen«, sagt sie. »Eine Firma kommt auf unser Land jedenfalls nicht mehr. Sie kommen nur und betrügen uns!«

Doch die Gefahr bleibt: In einem anderen Gemeinschaftswald, knapp 100 Kilometer südlich von Bofekalasumba, rückten kürzlich Arbeiter mit Maschinen an. Arbeiter einer internationalen Holzfirma. Sie begannen laut Beobachtern Waldwege zu errichten und Bäume zu markieren – mutmaßlich mit der Absicht, dort illegal zu fällen.

Die Bewohnerinnen und Bewohner wehrten sich wie üblich auf ihre Weise: Sie sammelten GPS-Daten und schalteten die Behörden ein. Sie lassen sich nichts mehr gefallen, hier in der grünen Lunge Afrikas.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft

Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.

Ein ausführliches FAQ mit Fragen und Antworten zum Projekt finden Sie hier.

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