Streit in den USA um Kopfgeld-Affäre Trump brüskiert das Militär

Der US-Präsident gerät wegen seines Verhältnisses zu Russland unter Druck. Wusste er von den mutmaßlichen Zahlungen an die Taliban für Angriffe auf US-Soldaten - ohne etwas dagegen zu unternehmen?
Von Roland Nelles, Washington
Donald Trump (im Februar 2020): Präsentiert sich gern als Freund des Militärs, doch die Kopfgeld-Affäre sorgt auch für Kritik bei der Armee

Donald Trump (im Februar 2020): Präsentiert sich gern als Freund des Militärs, doch die Kopfgeld-Affäre sorgt auch für Kritik bei der Armee

Foto: Leah Millis/ REUTERS

Die Attacke auf den Präsidenten via Twitter war vernichtend. Der Commander-in-Chief stand da wie ein ignoranter Dussel. Er lese offenkundig seine Geheimdienstberichte nicht, er lasse sich auch nicht von der CIA oder vom Verteidigungsministerium regelmäßig über wichtige Entwicklungen informieren, stellte der Kritiker in harschen Worten fest. Offenbar sei der Präsident "zu beschäftigt" mit anderen Dingen.

Das war 2014. Der Präsident hieß Barack Obama, sein Kritiker Donald Trump. Heute ist Trump selbst Präsident und hat nun eine Affäre am Hals, in der es im Kern um genau diese Fragen geht: Liest Trump seine Geheimdienst-Briefings - oder nicht? Wurde er schon vor Monaten von seinen Experten über mutmaßliche Kopfgelder informiert, die russische Spione an Taliban-Milizen in Afghanistan gezahlt haben sollen, damit sie US-Soldaten töten? Ja oder nein?

Die brisante Causa hat das Potenzial, den ohnehin angeschlagenen US-Präsidenten wenige Monate vor der Wahl noch weiter in Bedrängnis zu bringen. Die Kopfgeld-Affäre entwickelt sich täglich mehr und mehr zu einem handfesten politischen Skandal, der Trump auch noch die letzten verbliebenen Sympathien im Wahlvolk kosten könnte. Kaum etwas wäre für Trump schlimmer, als wenn sich herausstellen würde, dass er als Oberbefehlshaber nichts unternommen haben könnte, um die eigenen Truppen vor Angriffen zu schützen.

Seltsame Ausreden

Seit die "New York Times” am Wochenende erstmals über die Hintergründe zu den Kopfgeldern berichtet hat, bemühen sich Trump und seine Berater im Weißen Haus hektisch, die Sache kleinzureden. Stets wird darauf verwiesen, der Präsident sei über den Vorgang nicht "gebrieft" worden. Trump selbst gab an, die Geheimdienste hätten die Angelegenheit nie an ihn weitergegeben, weil sie die Informationen zu den Kopfgeldern als nicht glaubwürdig eingestuft hätten. Möglicherweise sei das alles wieder einmal ein russischer "Trick".

Im Weißen Haus hat man sich offenkundig vorgenommen, die Sache auszusitzen. Ob das so einfach geht, ist allerdings fraglich. Es häufen sich die Hinweise, dass die Ausreden von Trump und seiner Regierung nicht stimmig sein könnten.

Schon der Hinweis aus dem Weißen Haus, Trump sei von den Diensten zu der Sache bis jetzt nie gebrieft worden, erscheint immer weniger glaubwürdig. Mehrere US-Medien berichten, Details des Vorgangs seien im Februar Teil des täglichen, schriftlichen Geheimdienst-Briefings gewesen. Es wird dem Präsidenten regelmäßig zur Lektüre vorgelegt.

Natürlich ist es denkbar, dass Trump das Briefing nicht gelesen hat, was ihm durchaus zuzutrauen wäre. Doch selbst dann würde sich die Frage stellen, warum der Präsident von seinen Mitarbeitern über einen so schwerwiegenden Vorgang nicht ausreichend informiert wurde.

Bolton will Trump schon 2019 informiert haben

Erschüttert wird die Verteidigungslinie des Weißen Hauses zudem von einem Bericht der Nachrichtenagentur AP. Demnach soll der frühere Sicherheitsberater John Bolton Trump schon im vergangenen Jahr persönlich über die Kopfgelder informiert haben. Bolton wollte sich laut der Agentur nicht dazu äußern.

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Widersprüchlich erscheinen auch Angaben aus dem Weißen Haus und von Trump-Vertrauten, nach denen die Geheimdienste über die Bewertung der Informationen zu den Kopfgeldern unterschiedliche Auffassungen hatten. Dies habe angeblich dazu geführt, dass die Informationen dann nicht an den Präsidenten weitergegeben worden seien.

Verteidigungsminister Mike Esper versicherte etwa auf Twitter, sein Ministerium habe kein "unterstützendes Beweismaterial" zu den Berichten über russisches Kopfgeld auf US-Soldaten in Afghanistan.

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Kann das wirklich sein?

Die Berichte der "New York Times" zeichnen ein anderes Bild: Demnach hatten die US-Dienste etliche Hinweise aus unterschiedlichen Quellen, die den Verdacht erhärteten, dass Agenten Russlands hinter den Kopfgeldern stecken. Sie sollen mehrere Hunderttausend Dollar über Mittelsmänner an Afghanen weitergegeben haben. Dieses Geld soll als Belohnung für Anschläge auf US-Soldaten vorgesehen gewesen sein. Laut "Times" lassen sich die Zahlungen sogar direkt zu einem Konto zurückverfolgen, das mit dem russischen Geheimdienst GRU in Verbindung gebracht werde. 

Wie die "Times" und andere Medien weiter berichten, könnten die mutmaßlichen Kopfgeldzahlungen des russischen Militärgeheimdienstes an die Taliban im vergangenen Jahr zur gezielten Tötung von mehreren US-Soldaten geführt haben. Die Eltern der getöteten Soldaten geben nun Interviews und fordern von der Regierung Informationen zu dem Fall.

Auf Trumps Image, der sich selbst stets als Vorkämpfer für das Militär präsentiert, könnten sich solche Berichte verheerend auswirken. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte hat der Präsident eine besondere Verantwortung, die US-Truppen vor Ungemach zu beschützen. Sollte Trump über die russische Kopfgeld-Operation Bescheid gewusst haben, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, etwas dagegen zu tun, wäre dies eine beispiellose Pflichtverletzung.

"Politik der Ehrerbietung gegenüber Putin"

Kein Wunder, dass Trumps Herausforderer Joe Biden und die Demokraten im Kongress das Thema weidlich ausschlachten. Sie sehen Trump und das Weiße Haus in der Verantwortung, alle Fakten zu der Sache auf den Tisch zu legen. In den Fokus nehmen sie dabei auch - wieder einmal - Trumps Verhältnis zu Russland und zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Warum, so lautet eine Kernfrage, würde Trump wohl davor zurückschrecken, Putin und seinen Geheimdienst für ihre mutmaßlichen Missetaten in die Verantwortung zu nehmen?

Biden hält Trumps Verhalten gegenüber Putin insgesamt für eine Schande: "Trump hat nicht nur darauf verzichtet, Russland für seine ungeheuerlichen Verstöße gegen Internationales Recht zu sanktionieren oder anderweitig zu maßregeln, sondern er hat zugleich seine peinliche Politik der Unterwürfigkeit und Ehrerbietung gegenüber Putin fortgesetzt."

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Auch nicht gut für den Präsidenten: Im US-Fernsehen laufen bereits Werbe-Clips der Anti-Trump-Gruppe "Lincoln Project", in dem der frühere Kämpfer der Eliteeinheit Navy Seals, Dan Barkhuff, ein brutales Urteil über den Commander-in-Chief fällt.

"Jeder Oberbefehlshaber mit Rückgrat würde den Russen für ihre Taten gehörig in den Arsch treten", sagt der Veteran. Er halte Trump für einen "Feigling". Es sei an der Zeit, ihn zurück auf den Golfplatz zu schicken. "Das Leben unserer Truppen hängt davon ab."

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