Nach brutalen Protesten Frankreich laut Innenminister zu Autonomie für Korsika bereit

Seit Wochen wird Korsika von Ausschreitungen erschüttert. Nun will Frankreichs Innenminister die Insel besuchen. Er stellt umfangreiche Zugeständnisse in Aussicht – zunächst aber müsse die Gewalt aufhören.
Polizeieinsatz in Ajaccio, Korsika (am 10. März)

Polizeieinsatz in Ajaccio, Korsika (am 10. März)

Foto: IMAGO/Gerard Pierlovisi / IMAGO/PanoramiC

Der französische Innenminister Gérald Darmanin hat sich vor seinem Besuch auf der Mittelmeerinsel Korsika, die aktuell immer wieder von gewaltsamen Protesten erschüttert wird, zu Zugeständnissen bereit erklärt. »Wir sind bereit, bis zur Autonomie zu gehen«, sagte Darmanin der Lokalzeitung, »Corse-Martin«. Voraussetzung für Verhandlungen sei jedoch, dass auf der Insel wieder Ruhe einkehre. Es könne unter dem »Druck« von Sprengkörpern und »Allgegenwart der Ordnungskräfte« keinen »aufrichtigen Dialog« geben.

Darmanin will am Mittwoch und Donnerstag auf die Insel kommen, um sich nach den seit zwei Wochen andauernden Protesten ein Bild der Lage zu machen.

Kritisch sei die Frage, was eine »Autonomie« der Insel beinhalte, sagte der Minister der Zeitung weiter. »Darüber müssen wir diskutieren.« Diese institutionelle Frage werde »logischerweise während der zweiten Amtszeit« von Präsident Emmanuel Macron in Angriff genommen – falls dieser bei den Präsidentschaftswahlen im April wiedergewählt werden sollte.

Auslöser der Unruhen war ein Angriff eines Mithäftlings auf den bekannten korsischen Separatisten Yvan Colonna am 2. März im Gefängnis von Arles. Colonna saß dort wegen Mordes an dem Präfekten Claude Erignac 1998 eine lebenslange Haftstrafe ab.

Colonna befindet sich nach Angaben seiner Anwälte vom Dienstag weiterhin in einem »gravierenden« Zustand. Nach bisherigem Stand liegt er im Koma.

In dem Zeitungsinterview räumte Darmanin eine gewisse »Verantwortung« des Staates für den Angriff ein. Der Staat müsse »Beschützer der Personen sein, die unter seiner Verantwortung stehen«. Die Regierung sei verpflichtet, »die Wahrheit über das, was passiert ist«, herauszufinden.

Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten

Nach dem Angriff war es auf der beliebten Ferieninsel wiederholt zu schweren Ausschreitungen gekommen. Am Sonntag war eine zunächst friedliche Demonstration von mehreren Tausend Menschen in Bastia außer Kontrolle geraten. Dabei wurden 67 Menschen verletzt, unter ihnen 44 Sicherheitskräfte. Bei den Ausschreitungen setzten einige der maskierten Demonstranten Molotowcocktails und selbst gebaute Sprengkörper ein. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor.

Colonna wird auf Korsika von vielen als Held des Kampfes für die Unabhängigkeit der Insel von Frankreich verehrt. Korsika war jahrzehntelang von Attentaten erschüttert worden.

2014 legte die Untergrundorganisation FLNC die Waffen nieder, etwa zeitgleich gewannen gemäßigte Nationalisten politisch an Bedeutung.

In den vergangenen Jahren hat sich die Lage beruhigt, aber viele Korsen fordern die Freilassung oder zumindest die Verlegung der inhaftierten Separatisten auf die Insel. Außerdem verlangen sie eine größere Autonomie von Paris.

jok/AFP
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