Umgang mit ukrainischen Kriegsflüchtlingen Frankreich wirft Großbritannien »Mangel an Menschlichkeit« vor

Geflüchtete am polnischen Bahnhof Sławków (Foto vom 5. März)
Foto: ZBIGNIEW MEISSNER / EPADer Umgang mit geflüchteten Menschen aus der Ukraine sorgt für Spannungen zwischen Frankreich und Großbritannien. In einem Brief an seine britische Kollegin Priti Patel, den AFP am Samstag einsehen konnte, beklagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin einen »komplett unangemessenen« Umgang der britischen Behörden mit Flüchtlingen, die in den vergangenen Tagen im nordfranzösischen Calais angekommen seien und von dort zu Angehörigen in Großbritannien weiterreisen wollten. Darmanin schrieb laut AFP von einem »Mangel an Menschlichkeit«.
In den vergangenen Tagen seien 400 ukrainische Flüchtlinge an Grenzposten in Calais vorstellig geworden, teilte der Minister demnach mit. 150 von ihnen seien aufgefordert worden, nach Paris oder Brüssel zu fahren, um in den dortigen britischen Konsulaten Visa für das Vereinigte Königreich zu beantragen.
Darmanin drängt auf temporäre britische Vertretung in Calais
Großbritannien müsse in Calais echte konsularische Dienste anbieten, forderte Darmanin. »Es ist unerlässlich, dass Ihre konsularische Vertretung – ausnahmsweise und für die Dauer dieser Krise – Visa für die Familienzusammenführung vor Ort in Calais ausstellen kann«, schrieb der Innenminister an seine Kollegin. Es sei »nicht nachvollziehbar«, dass das Vereinigte Königreich in der Lage sei, solche Dienste an der polnisch-ukrainischen Grenze anzubieten, nicht aber in seinem direkten Nachbarland Frankreich.
»Unsere Küsten waren Szenen so vieler Tragödien«, schrieb Darmanin mit Blick auf die zahlreichen Flüchtlinge, die jährlich bei dem gefährlichen Versuch sterben, über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien zu gelangen. »Lassen Sie uns nicht diese ukrainischen Familien noch zu ihnen hinzufügen.«
Migration über den Ärmelkanal ist seit Jahren Streitthema
Die Flüchtlingsproblematik am Ärmelkanal belastet die Beziehungen zwischen Großbritannien und Frankreich. Befeuert worden waren die Spannungen durch ein schweres Bootsunglück im November, bei dem 27 Geflüchtete ums Leben gekommen waren. Paris und London hatten sich damals gegenseitig vorgeworfen, nicht genug gegen Schlepperbanden zu unternehmen.