Krieg in der Ukraine Selenskyj räumt offenbar Verlust von Bachmut ein

Bachmut ist nach den monatelangen Kämpfen weitgehend zerstört
Foto: Ria Novosti / SNA / IMAGOWolodymyr Selenskyj hat den Verlust von Bachmut an die russischen Invasoren offenbar bestätigt. Wie unter anderem die Nachrichtenagentur Reuters und die Bloomberg-Reporterin Jenny Leonard berichten, antwortete der ukrainische Präsident während des G7-Gipfels auf die Frage, ob die Stadt noch unter der Kontrolle Kiews sei: »Ich glaube nicht.«
Die Nachrichtenagentur dpa schreibt hingegen, dass der Reporter direkt im Anschluss an die Frage an Selenskyj noch den Halbsatz nachschob, dass die Russen die Einnahme von Bachmut verkündet hätten. In diesem Fall könnte Selenskyjs Antwort sich auch auf den zweiten Aspekt der Frage beziehen.
Selenskyj sagte weiter, dass die Stadt völlig zerstört sei. »Heute ist Bachmut nur noch in unseren Herzen«, sagte er. »An diesem Ort gibt es nichts mehr.«
Putin gratuliert Kremltruppen
Bereits in der Nacht hatte Russland die monatelange Schlacht um Bachmut für entschieden erklärt und die vollständige Einnahme der Stadt im Osten der Ukraine verkündet. Die Privatarmee Wagner habe die Stadt mithilfe der Artillerie- und Luftunterstützung der russischen Streitkräfte komplett erobert, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Zuvor hatte bereits der Chef der Wagner-Söldner, Jewgenij Prigoschin, die Einnahme der seit Monaten äußerst hart umkämpften und inzwischen fast völlig zerstörten Stadt verkündet.
Kremlchef Wladimir Putin sprach den Wagner-Truppen und der russischen Armee Glückwünsche aus. Die russischen Streitkräfte hätten Wagner den nötigen Schutz an den Flanken garantiert, sagte Putin nach Angaben seines Pressedienstes. »Alle herausragenden Kämpfer werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt.«
Der Sprecher der ukrainischen Armeegruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, dementierte am Samstag im Radio, dass Bachmut erobert sei. Vielmehr seien Prigoschins Truppen am Ende und wollten aufgeben: Sie müssten befürchten, eingekesselt zu werden von den ukrainischen Verteidigern, sagte Tscherewatyj.
Die Schlacht um Bachmut gilt als längste und verlustreichste des russischen Angriffskriegs, der vor 15 Monaten mit dem Einmarsch ins Nachbarland begann. Damals hatte die Stadt noch 70.000 Einwohner, inzwischen liegt sie weitgehend in Trümmern. Die Ukraine gab Bachmut trotzdem nicht verloren, um einen Durchbruch der russischen Truppen weiter ins Landesinnere zu verhindern. Präsident Selenskyj hatte befohlen, die symbolträchtige Stadt nicht aufzugeben.
Bachmut ist der Hauptteil der nach der russischen Eroberung von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk etablierten Verteidigungslinie zwischen den Städten Siwersk und Bachmut im Donezker Gebiet. Mit dem Fall der Stadt könnte sich nun für die russischen Truppen der Weg zu den Großstädten Slowjansk und Kramatorsk eröffnen.
Prigoschin hatte am Samstag in Uniform und mit der russischen Flagge in der Hand die Eroberung von Bachmut verkündet. Zugleich kritisierte er wieder einmal die russische Militärführung: »Wir haben nicht nur mit den Streitkräften der Ukraine gekämpft, sondern auch mit der russischen Bürokratie, die uns Knüppel zwischen die Beine geworfen hat«, sagte Prigoschin in einem Video. Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow hätten den »Krieg zu ihrem persönlichen Vergnügen« gemacht. Ihre Launen und die Militärbürokratie hätten dazu geführt, »dass fünfmal so viele Soldaten gestorben sind wie hätten sterben müssen«.
Selenskyj soll Biden Grüße von Prigoschin ausrichten
Bei Präsident Putin bedankte er sich hingegen dafür, dass dieser den Wagner-Kämpfern Gelegenheit gegeben habe, für Russland zu kämpfen. Das sei eine »große Ehre« gewesen, betonte Prigoschin, der als enger Vertrauter Putins gilt. Die Wagner-Truppe habe der »zerzausten russischen Armee geholfen, wieder zu sich zu finden«. Er wolle Bachmut nun den regulären Truppen überlassen. Nach Darstellung Prigoschins kämpften die Wagner-Truppen seit dem 8. Oktober um die Kontrolle über Bachmut – nun stehe eine Erholungsphase an. Seine Männer seien aber bereit, weiter für Russland zu kämpfen.
Mit Blick auf den Besuch des ukrainischen Präsidenten beim G7-Gipfel der führenden demokratischen Wirtschaftsnationen in Japan sagte Prigoschin, Kiews Truppen hätten »tapfer und gut« gekämpft. Selenskyj solle US-Präsident Joe Biden Grüße ausrichten von der Wagner-Armee, der besten der Welt. In Richtung Moskau adressierte er die Forderung, jene zur Verantwortung zu ziehen, die die Schlacht um Bachmut durch das Zurückhalten von Munition, Material und Kämpfern in die Länge gezogen hätten.