Marinechef Schönbach in der Kritik nach umstrittener Rede »Wir brauchen Russland gegen China«

Kay-Achim Schönbach über Wladimir Putin: »Es wäre leicht, ihm den Respekt zu geben, den er will – und wahrscheinlich auch verdient«
Foto: Bernd Wüstneck / picture alliance / dpaEin führender deutscher Militär hat mit unabgestimmten Äußerungen zur Außenpolitik bei einem Auftritt in Indien für Aufsehen gesorgt. Der Vizeadmiral und Chef der Deutschen Marine, Kay-Achim Schönbach, äußerte sich mit seinen privaten Ansichten zur Ukrainekrise, zur Nato-Osterweiterung und zu den vermuteten Absichten Wladimir Putins – und erklärte, er hätte aufgrund seines christlichen Glaubens gern das christliche Russland als Partner gegen China.
Putin fordere Respekt – und verdiene ihn wahrscheinlich
Die Aussagen widersprechen massiv der offiziellen Linie der Bundesregierung – und das inmitten der Ukrainekrise. Schönbach sagte bei einem Besuch in Indiens Hauptstadt Delhi, er glaube nicht an einen bevorstehenden Angriff auf die Ukraine. Er sieht die wahre Bedrohung in China und will Russland lieber als Partner, denn als Feind. Er sei ein »sehr radikaler römisch-katholischer Christ«, sagte Schönbach: »Ich glaube an Gott und ich glaube an die Christenheit.« Aus diesem Grund hätte er gern ein christliches Land wie Russland an seiner Seite gegen China – auch wenn Putin ein Atheist sei, das spiele keine Rolle.
China trete gegenüber vielen Ländern als Feind auf, wenn auch nicht unbedingt gegenüber Deutschland. Der erste Schritt sei jedoch zu akzeptieren, was China wirklich tue: Es gebe Geld an Diktatoren, Mörder und Kriminelle.
Wegen massiver russischer Truppenbewegungen mit rund 100.000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze befürchtet der Westen einen bevorstehenden Einmarsch Russlands in die Ukraine. Moskau argumentiert, dass der Truppenaufmarsch auf russischem Staatsgebiet stattfinde und daher »niemanden« bedrohe. Der Westen droht Moskau seit Wochen mit massiven Konsequenzen, sollte es zu einem Einmarsch in die Ukraine kommen.
Dass Russland sich Teile der Ukraine einverleiben wolle, sei »Nonsens« sagte Schönbach. »Was Putin wirklich will, ist Respekt«. Jemandem Respekt zu zollen, sei ein »geringer Kostenaufwand«, möglicherweise sogar kein Kostenaufwand, fährt der Militär in einer Rede fort, die nun als Video im Internet aufgetaucht ist. »Es wäre leicht, ihm den Respekt zu geben, den er will – und wahrscheinlich auch verdient«.
Chef der Deutschen Marine Kay-Achim Schönbach: Ukraine kann nicht NATO-Mitglied werden, weil Donbass besetzt ist. Georgien erfüllt die Voraussetzungen, aber Aufnahme wäre nicht „smart“. Baltikum sei was anderes, das seien schon früher unabhängige Staaten gewesen. pic.twitter.com/DIio1EXgYN
— Mathieu von Rohr (@mathieuvonrohr) January 22, 2022
Russland sei ein altes und wichtiges Land. Indien und Deutschland bräuchten Russland, sagt Schönbach: »Wir brauchen Russland gegen China«. Wenn man dieses große Land an seiner Seite hätte, würde es einem China vom Hals halten – auch wenn es keine Demokratie sei. Natürlich könne man Russlands Taten in Tschetschenien oder der Ukraine nicht ignorieren. »Die Krim ist weg, und sie wird nicht wieder zurückkommen«, sagt Schönbach, das sei ein Fakt. Völkerrechtlich wird die Annexion der Krim durch Russland von der Mehrheit der Staaten weltweit nicht anerkannt, auch von Deutschland nicht.
Auf die Frage, wie er eine mögliche Erweiterung der Nato nach Osten beurteile, entgegnete Schönbach, die Ukraine erfülle derzeit nicht die Voraussetzungen für einen Beitritt zum Militärbündnis, weil die Donbass-Region »besetzt« sei. Georgien, beispielsweise, hingegen erfülle die Voraussetzungen. »Aber wäre es auch smart? Wäre es smart, sie als Mitglied zu haben? Nein, ist es nicht.« Anders verhalte es sich mit den baltischen Staaten, die bereits Nato-Mitglieder sind – denn die seien bereits einmal unabhängige Staaten gewesen, bis die Sowjetunion sie besetzt habe.
Zum klärenden Gespräch mit Generalinspekteur einbestellt
Innerhalb der Bundesregierung sorgte der Auftritt des Inspekteurs fernab der Heimat am Samstag nach SPIEGEL-Informationen für heftige Irritationen, sowohl im Verteidigungsressort als auch im Auswärtigen Amt war man bis hoch in die Führung ziemlich verärgert.
Das Wehressort reagierte schnell. Bei einer eilig am Vormittag einberufenen Video-Konferenz beriet Ministerin Christine Lambrecht, SPD, mit ihrem Generalinspekteur Eberhard Zorn und ihrem obersten PR-Berater, wie man mit Schönbach umgehen soll.
Die Runde kam überein, dass der Marine-Chef seine Äußerungen umgehend öffentlich klarstellen muss, erwarten wird dabei wohl auch eine Art Entschuldigung. Für Montag dann wurde der Offizier zu einem klärenden Gespräch mit dem Generalinspekteur einbestellt. Gut möglich, dass der Ausflug in die Weltpolitik seine bisher mustergültige Karriere in der Bundeswehr schlagartig beendet.
Inzwischen hat Schönbach sich für seine Äußerungen entschuldigt. Auf Twitter schrieb er: »Unbedacht, fehleingeschätzt in der Situation, hätte ich das so nicht tun dürfen. Da gibt es nichts zu deuteln, das war ein klarer Fehler«.
Unbedacht, fehleingeschätzt in der Situation, hätte ich das so nicht tun dürfen. Da gibt es nichts zu deuteln, das war ein klarer Fehler. @BMVg_Bundeswehr #deutschemarine https://t.co/rJhoKqGYUy
— chiefdeunavy (@chiefdeunavy) January 22, 2022
Seine sicherheitspolitischen Äußerungen in einer Talkrunde eines Think-Tanks in Indien hätten seine persönliche Meinung für diesen Moment vor Ort wiedergegeben und entsprächen in keinster Weise der offiziellen Position des Bundesverteidigungsministeriums, führte er aus.