Ansturm in Melilla im Juni Spaniens Justiz stellt Ermittlungen zu Tod von 23 Flüchtlingen ein

Szene vom 24. Juni 2022 in Melilla: Migranten haben den Zaun zwischen Marokko und Spanien überwunden
Foto: Javier Bernardo / APDie spanische Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen zum Tod von mindestens 23 Migranten am Grenzzaun der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla im Juni eingestellt. Sie habe keine Anzeichen für eine Straftat im Handeln der spanischen Sicherheitskräfte gefunden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die spanischen Beamten hätten nicht gewusst, dass Menschen in der Menge medizinische Hilfe benötigt hätten. Dafür hätten sich die Flüchtlinge »ständig feindselig und gewalttätig« gegenüber der marokkanischen und der spanischen Polizei verhalten.
Am 24. Juni hatten mehrere Hundert Migranten vor allem aus dem Sudan versucht, den Grenzzaun zwischen Marokko und Melilla zu überwinden, um so in die EU zu gelangen. Dabei starben die jungen Männer bei einem Massengedränge in einem engen mit Tränengas beschossenen Vorhof vor einem Grenztor sowie bei dem folgenden brutalen Eingreifen marokkanischer Polizisten.
Spanien und Marokko haben jede Verantwortung für den Tod der Menschen zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft betonte, alles habe sich sehr schnell entwickelt und die spanischen Sicherheitskräfte hätten die Gefahr nicht erkennen können. Der Tod der Flüchtlinge bei dem Massenansturm auf den Grenzzaun von Melilla hatte international für Empörung gesorgt. Der SPIEGEL hat die Geschehnisse gemeinsam mit internationalen Partnermedien in einem Video aufwändig rekonstruiert.
»Schwere und mehrfache Menschenrechtsverletzungen« laut Amnesty International
Amnesty International hat schwere Vorwürfe auch gegen spanische Polizisten erhoben. »Wir sprechen hier von massiven Tötungen, dem Verschwinden lassen von Menschen, Folter, Pushbacks (gewaltsame Zurückführungen) und Rassismus«, sagte Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Madrid. Der Direktor der spanischen Sektion der Menschenrechtsgruppe, Esteban Beltrán, machte ausdrücklich auch spanische Beamte für die Tragödie verantwortlich.
In einem Bericht war Amnesty International von mindestens 37 Toten ausgegangen und hatte Spanien und Marokko eine Mitschuld am Tod der Migranten gegeben. Es lägen erdrückende Beweise für »schwere und mehrfache Menschenrechtsverletzungen« vor. Polizisten sollen laut dem Bericht Migranten mit Steinen beworfen und in geschlossenen Räumen Tränengas auf sie abgefeuert haben.
Das spanische Innenministerium wies den Bericht zurück und erklärte, er enthalte »falsche Behauptungen«. Auf spanischem Boden habe es keine Toten gegeben, betonte Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Es handle sich um tragische Umstände auf dem Territorium eines anderen Landes, nämlich Marokko. Spanische Polizisten hätten sich an Recht und Gesetz gehalten.