Früherer Kremlführer Michail Gorbatschow ist tot

Er galt als Totengräber der Sowjetunion – und wurde dafür geliebt wie gehasst: Der frühere sowjetische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow ist im Alter von 91 Jahren gestorben.
Michail Gorbatschow im Jahr 2014 in Berlin

Michail Gorbatschow im Jahr 2014 in Berlin

Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpa

Der russische Friedensnobelpreisträger und ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow ist tot. »Heute Abend ist nach schwerer und langer Krankheit Michail Sergejewitsch Gorbatschow gestorben«, teilte das Zentrale klinische Krankenhaus (ZKB) der russischen Hauptstadt mit. Zuvor hatten die russischen Nachrichtenagenturen Tass und Interfax unter Berufung auf die Klinik gemeldet, dass Gorbatschow im Alter von 91 Jahren gestorben sei.

Der weltweit geschätzte Politiker galt als einer der Väter der Deutschen Einheit und als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges.

In den Achtzigerjahren hatte die Sowjetunion unter Gorbatschows Führung mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geschlossen. In seiner Heimat hatte Gorbatschow als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess eingeleitet. Das brachte den Menschen in dem totalitären System bis dahin nie da gewesene Freiheiten.

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Michail Gorbatschow – Stationen seines Politikerlebens

Foto: Wolfgang Kumm/ picture-alliance/ dpa

1990 erhielt Gorbatschow für seine mutigen Reformen den Friedensnobelpreis. Der politische Prozess führte zu massiven Umbrüchen in allen Republiken des Sowjetstaates und letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums.

In Russland umstritten

Ein Großteil der russischen Bevölkerung sah den früheren Partei- und Staatschef stets als Totengräber der Sowjetunion – und als einen Politiker ohne Machtinstinkt. Gorbatschow trat als Präsident der Sowjetunion 1991 zurück, bevor sich der Staat wenig später selbst auflöste. Der neue starke Mann in Moskau wurde damals der russische Präsident Boris Jelzin (1931-2007).

Bis zu seinem Tod hatte Gorbatschow sich um seine eigene politische Stiftung in Moskau verdient gemacht. Die Organisation setzt sich für demokratische Werte und eine Annäherung Russlands an den Westen ein.

Der Politiker war Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung »Nowaja Gaseta«, die immer wieder Missstände in Russland aufdeckt. Gorbatschow hatte in den vergangenen Jahren Kremlchef Wladimir Putin mehrfach aufgefordert, die Freiheit der Medien und Wahlen nicht weiter einzuschränken.

Von den Deutschen und dem Westen enttäuscht

Gorbatschow schrieb zudem zahlreiche Bücher – zuletzt unter anderem auch über seine Enttäuschung von den Deutschen und dem Westen. Konkret beklagte er dabei, dass neue Feindbilder gegen Russland gezeichnet würden. Zu den Feiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im Herbst 2019 war er aus Gesundheitsgründen nicht gereist. Er musste in den vergangenen Jahren immer wieder im Krankenhaus behandelt werden. Er sei nun an den Folgen von Alter und Krankheit gestorben, hieß es.

Politikerinnen und Politiker auf der ganzen Welt würdigten das Vermächtnis des Friedensnobelpreisträgers. Uno-Generalsekretär António Guterres nannte  Gorbatschow einen »einzigartigen Staatsmann«, der den Lauf der Geschichte verändert habe. »Er hat mehr als jeder andere dazu beigetragen, den Kalten Krieg friedlich zu beenden.« Weitere Reaktionen zum Tode Gorbatschows können Sie hier nachlesen.

Archivvideo: Gorbatschow im SPIEGEL-Interview

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Der Staatsmann soll laut der Nachrichtenagentur dpa in Moskau auf dem Neujungfrauenfriedhof für Prominente beerdigt werden – neben seiner Frau Raissa. Sie war 1999 nach schwerer Krankheit in Münster gestorben.

Unklar ist allerdings, welche internationalen Gäste zur Beerdigung von Michail Gorbatschow kommen werden – angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Sanktionen der EU und der USA. So sind nicht nur viele ranghohe Politiker der EU von russischer Seite als Reaktion auf die westlichen Sanktionen mit Einreiseverboten belegt worden. Gesperrt ist auch der Luftraum in Russland für »unfreundliche EU-Staaten«.

kko/aar/dpa
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