Fotografieren, was man vorfindet. Richard Weir vom Krisenteam der Organisation Human Rights Watch in Butscha nahe Kiew. Seine Aufgabe: Mögliche Spuren von Kriegsverbrechen zu dokumentieren.
Richard Weir, Human Rights Watch Krisenteam
»Hier sehen wir Blut.«
Human Rights Watch ist eine von mehreren Organisationen, die direkt vor Ort auf Spurensuche gehen. Richard Weir hat in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen in Myanmar dokumentiert, jetzt ist sein Einsatzort die Ukraine. Der Amerikaner muss sich aus dem, was er vorfindet, ein Bild dervon den Geschehnissen machen:
Richard Weir, Human Rights Watch Krisenteam
»Hier lag eine Leiche. Ich versuche jetzt nach Beweisen zu suchen, wie sie getötet wurde oder von wo aus sie getötet wurde. Was wir hier auf dem Boden sehen, sind ein paar Patronenhülsen. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Einschlägen in der Stahlverkleidung. Sie erwecken den Eindruck, dass viele der Geschosse, die in diesen Hof einschlugen, aus dieser Richtung kamen. Sie können es hier sehen: Die Perforation des Stahls deutet darauf, dass die Geschosse aus dieser Richtung kamen. Darüber hinaus ist der gesamte Hof offensichtlich verbrannt und zerstört. Aber Sie können offensichtlich die Einschläge von kleiner Munition oder von Schrapnellen sehen. Im Moment versuchen wir also nur herauszufinden, was hier passiert ist. Das können wir dann zu allen weiteren Zeugenaussagen und Beweisen, die wir am Tatort sammeln können, hinzufügen.«
Augenzeugenberichte sind ebenfalls ein weiterer wichtiger Bestandteil der Beweisaufnahme. Hier in Butscha harrten viele Einwohner wochenlang in ihren Häusern aus. Auch Wladimir lebte in Butscha.
Wladimir, Einwohner von Butscha
»Sie haben mich hierher gerufen, um das Gebiet zu entminen. Seien Sie hier vorsichtig, es kann Fallen geben. Sie waren hier und haben geschossen, den Schuppen niedergebrannt, alles. Nicht nur das, sie haben auch meinen Schwiegersohn erschossen, ihm die Pistole an die Schläfe gesetzt – die Hälfte seines Kopfes war weg. Die Tschetschenen, die Kadyrow-Leute – so ist die russische Welt gekommen, um uns zu ›befreien‹. Sie haben uns von allem befreit, es gibt hier nichts mehr.«
Der Bürgermeister von Butscha berichtet von 50 Exekutionen. Noch immer werden weitere Leichen aus den Häusern geborgen. Die ersten Angaben aus dem Ort bezifferten die Zahl der getöteten Zivilisten auf mehr als 400, viele von ihnen lagen auf den Straßen. Jetzt werden ganze Wohnblöcke durchsucht. Richard Weir erledigt seine Arbeit routiniert – und versucht, dabei möglichst sachlich zu bleiben.
Richard Weir, Human Rights Watch
»Was wir hier gesehen haben, sind ziemlich starke Anzeichen dafür, dass eine Reihe von vorsätzlichen Tötungen oder Morden stattgefunden hat. Und zwar auf der Grundlage der Tatsache, dass wir eine Reihe von Menschen haben, die anscheinend mit hinter dem Rücken gefesselten Händen getötet wurden. Und das wirft natürlich die Frage auf, ob es sich bei den vorsätzlichen Tötungen um Morde und Morde handelt. Wenn diese im Verlauf eines bewaffneten Konflikts begangen werden, ist das ein Kriegsverbrechen.«
Die Beweisaufnahme geht weiter – nicht nur in Butscha.