Moldaus neue Staatspräsidentin Sandu Ein Ruck Richtung Europa

Moldaus neue Präsidentin Maia Sandu: Vision von einem transparenten Rechtsstaat
Foto: DUMITRU DORU/EPA-EFE/ShutterstockStandhaft, fast stoisch hat Maia Sandu die unzähligen Schmutzkampagnen ertragen. Mal wurde ihr Landesverrat vorgeworfen, mal ihre angeblich »unchristliche und nicht-traditionelle sexuelle Orientierung«. Sandu reagierte, indem sie immer wieder ihre Vision eines besseren Landes erklärte: Sie wolle eine Republik mit mehr Rechtsstaatlichkeit und Transparenz, ohne Korruption und staatliche Willkür.
Eigentlich keine Botschaft, mit der in Moldau Wahlen gewonnen werden können. Doch Sandu hat es geschafft: Sie hat sich gegen einen mächtigen, reformunwilligen Apparat und gegen alle Versuche einer Wahlfälschung durchgesetzt. Die 48 Jahre alte studierte Ökonomin, Vorsitzende der »Partei Aktion und Solidarität« (PAS) und im vergangenen Jahr Kurzzeit-Regierungschefin, ist am Sonntag zur neuen Staatspräsidentin der Republik Moldau gewählt worden.
Ihr Sieg in dieser Stichwahl war deutlich: Sie erhielt fast 58 Prozent der Stimmen, ihr Kontrahent, der nominell sozialistische Amtsinhaber Igor Dodon, kam nur auf rund 42 Prozent. Für Sandu stimmte nicht nur die starke moldauische Diaspora in Westeuropa, die Dodon abfällig als »parallele Wählerschaft« bezeichnet hatte. Entgegen vieler Prognosen siegte Sandu auch im Land selbst in den meisten Gegenden, darunter auch bei vielen russischsprachigen Wählern. Russen, Ukrainer und die russischsprachigen Gagausen machen etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus – sie stimmten bisher weitgehend geschlossen für Dodon und für prorussische Parteien.
Historischer Wahlsieg
Es ist ein historischer Wahlsieg für die kleine, überwiegend rumänischsprachige Republik Moldau, die als eines der ärmsten Länder Europas gilt. Seit der Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion im August 1991 hat sich bei einer Wahl noch nie ein Kandidat für das höchste Staatsamt durchsetzen können, der für authentische Reformpolitik steht. Die Wahl ist auch ein wichtiges Signal für die Europäische Union.
Szenarien wie nach den Wahlen in Belarus oder Georgien werden sich in Moldau nicht wiederholen. Zudem könnte nun auch die sogenannte östliche Partnerschaftspolitik der EU wieder aufleben. Deren Erfolgsmodell sollte Moldau einst werden, doch das Projekt scheiterte weitgehend. Maia Sandu tritt nun für eine proeuropäische Orientierung des Landes und eine konsequente Umsetzung des 2014 abgeschlossenen EU-Assoziierungsabkommens ein.
Der bisherige Amtsinhaber Igor Dodon ist nur deklarativ Sozialist und stand für eine Politik mit christlich-fundamentalistischen und identitären Akzenten. Sein größtes Markenzeichen war jedoch seine Putin-Treue. Er besuchte Russland mitunter monatlich und legte im Kreml eine Servilität an den Tag, für die man ihn in Moskau, auch in Diplomatenkreisen, zum Schluss verachtete – trotz der politischen Unterstützung des Kremls für ihn. Dodon machte auch mit zahlreichen Korruptionsaffären in seinem politischen und familiären Umfeld Schlagzeilen.
Ruf einer unbestechlichen Reformpolitikerin
Mit Maia Sandu zieht nicht nur ein anderer Stil in das oberste Amt des moldauischen Staates ein, sondern ein neuer Geist. Die gewählte Präsidentin stammt aus einem Dorf im Westen Moldaus und studierte Ökonomie und Verwaltungswissenschaften, unter anderem auch mit einem Stipendium in Harvard. Von 2012 bis 2015 erwarb sie sich als Bildungsministerin den Ruf einer unbestechlichen Reformpolitikerin, die beim politischen Postengeschacher nicht mitmachen wollte. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 unterlag sie ihrem Kontrahenten Igor Dodon nur sehr knapp, wahrscheinlich war damals Wahlbetrug im Spiel.
Im Juni vergangenen Jahres wurde sie nach einem Politkrimi kurzzeitig Regierungschefin. Damals floh Moldaus mächtiger Oligarch Vlad Plahotniuc aus dem Land, der als einer der Drahtzieher des »Milliardenraubes« gilt – der Ausplünderung dreier Banken im Jahr 2014 mithilfe verzweigter Kreditgeschäfte und korrupter Richter. Auf Druck der USA, Russlands und der EU kam nach Plahotniucs Flucht eine Reformkoalition zwischen den Sozialisten und der Partei Sandus zustande. Doch nach nur fünf Monaten stürzte Sandu durch Intrigen der Sozialisten, die ihr Reformprogramm sabotiert hatten, vor allem eine radikale Justizreform.
In ihrem neuen Amt als Staatspräsidentin verfügt Maia Sandu nur über wenig tatsächliche Kompetenzen. Sie kann außenpolitische Akzente setzen, hat aber keine Exekutivmacht. Die derzeitige Regierung stellen die Sozialisten von Igor Dodon, gestützt auf eine sehr fragile parlamentarische Mehrheit. Sandu hat bereits im Wahlkampf angekündigt, dass sie Neuwahlen anstreben werde, um eine proeuropäische und eine Reformmehrheit im Parlament zusammenzubekommen. Ob ihr das gelingt, wagt noch kein Beobachter im Land vorherzusagen.
Zumindest ist die Stimme Maia Sandus von hoher Symbolkraft für das Land. Sie ließ am Tag nach ihrem Wahlsieg keinen Zweifel daran, dass sie sie nach Kräften erheben wird. »Alle Bürger haben nun eine Chance für eine Veränderung«, sagte sie in ihrer ersten Pressekonferenz als gewählte Präsidentin. »Mein Mandat ist kein Privileg, sondern eine große Verantwortung. Ich möchte, dass unser Land nicht mehr für Armut, Korruption und Emigration steht. Dafür werde ich in den kommenden vier Jahren hart arbeiten.«