Was wurde aus... Monica Lewinsky? Clinton lässt sie nicht los

Monica Lewinskys Affäre mit Bill Clinton löste 1998 das letzte Impeachment eines US-Präsidenten aus. Sie litt jahrelang - und findet sich nun erneut im Rampenlicht.
Aus New York berichtet Marc Pitzke
Von Skandalobjekt zur Aktivistin: Monica Lewinsky

Von Skandalobjekt zur Aktivistin: Monica Lewinsky

Foto: HANDOUT / REUTERS

Monica Lewinsky wollte diesmal eigentlich lieber außen vor bleiben. "Eilmeldung", twitterte sie noch im Dezember: "Ihr könnt über das Impeachment reden, ohne mich zu taggen."

Es sollte nicht sein.

Das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump weckte so schon genug Erinnerungen an das vorherige gegen Bill Clinton, das sich um dessen Affäre mit Lewinsky gedreht hatte. Als dann auch noch Ex-Sonderermittler Ken Starr, der Clintons Impeachment 1998 auslöste, in Trumps Anwaltsteam eintrat, konnte sie sich nicht länger verstecken. Der alte Skandal, der ihren Ruf und fast ihr Leben zerstört hatte, wurde erneut breitgetreten.

"Und, was gab's heute in den Nachrichten?", scherzte Lewinsky, als der Senatsprozess gegen Trump begann. Galgenhumor.

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Dabei war das damals gar nicht lustig, nicht für sie. Lewinsky war 24, als sie zum Synonym für Sex im Weißen Haus wurde und zur Zielscheibe von Hass und Häme - ein Meme, bevor es Memes gab. "Mein Leben würde nie mehr so sein wie vorher", sagte sie später. "Das Leben, das ich als Privatperson hatte, würde zu Ende sein."

Sie brauchte Jahrzehnte, um das sexistische Image loszuwerden, das ihr andere verpasst hatten, und fand erst in der #MeToo-Ära ihre Stimme, als Frauenrechtlerin und Aktivistin gegen Mobbing.

Ein Albtraum begann

Heute ist sie 46, weit entfernt vom Bild der liebeshungrigen Praktikantin, das Clintons Team von ihr zeichnete, mit ihrem eigenen Zutun. Für die "Los Angeles Times" - die ihr 1999 noch die Schlagzeile "Opfer oder Füchsin?" gewidmet hatte - gehört sie zur Riege der "berüchtigten" Amerikanerinnen wie O.-J.-Simpson-Anklägerin Marcia Clark und Eisläuferin Tonya Harding, die von Lachnummern zu "Heldinnen der Popkultur" geworden seien.

Als Heldin galt sie kaum, als ihre Liaison mit Clinton 1998 aufflog. Sie hatte sich einer Freundin anvertraut, der Sekretärin Linda Tripp, die ihre Telefonate aufzeichnete. Die Tonbänder wurden an die Presse und an Starr lanciert, Clinton bestritt alles vor laufenden Kameras und dann auch unter Eid, der Rest "ist Geschichte".

Für Lewinsky begann ein Albtraum. Paparazzi jagten sie und ihre Familie. Ihre Zukunftspläne waren zerstört, sie hatte Gerichtspsychologie studieren wollen. Das Weiße Haus, allen voran First Lady Hillary Clinton, dämonisierte sie, die Rechten machten sie zur Leitfigur ihres Kulturkriegs gegen den Präsidenten.

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Monica Lewinsky: Von Skandalobjekt zur Aktivistin

Foto: TIM AUBRY/ REUTERS

"Ich war allein", erinnerte sich Lewinsky zum 20. Jahrestag in einem Essay fürs Magazin "Vanity Fair"  unter dem Titel "#MeToo und ich". "In diesem Meer des Alleinseins zu schwimmen war furchterregend."

Der "Lewinsky-Skandal" - niemand sprach vom "Clinton-Skandal" - war zwei Jahre lang das Thema für die Amerikaner. Die Sketchshow "Saturday Night Live" porträtierte Lewinsky als dummes Flittchen . Ihr Kleid mit Clintons DNA wurde zum Kultobjekt.

Zwar überstand Clinton das Impeachment, doch der Skandal überschattete die nächste Wahl. George W. Bush, Afghanistan- und Irakkrieg, 9/11, Rezession, Barack Obama, Donald Trump: Entwicklungen, die Lewinsky auch als Langzeitfolgen eines "kollektiven Traumas" interpretiert.

"Hier kam Monica immer rein"

Das Trauma war zunächst aber persönlich. Bei Lewinsky wurde ein posttraumatisches Stresssyndrom diagnostiziert. "Als ob jede Schicht meiner Haut und meiner Identität abgerissen worden seien", sagte sie dem "Guardian". In dem Essay von 2018 fügte sie hinzu: "Und es ist nicht vorbei."

Sie entschuldigte sich mehrfach, zuerst bei Hillary Clinton und Tochter Chelsea, damals 13. Sie startete ein kleines Handtaschengeschäft. Sie hielt einen TED-Talk über "den Preis der Scham" , der bisher mehr als 16 Millionen Onlinezuschauer fand.

Die #MeToo-Bewegung, die 2017 mit den Vorwürfen gegen den Produzenten Harvey Weinstein begann, gab ihrer Erfahrung neuen Kontext. Erst jetzt beginne sie die Rolle des Machtgefälles zwischen Präsident und Praktikantin zu verstehen, schrieb sie. Es ist ein Machtgefälle, das auch viele #MeToo-Leidensgeschichten prägt, ebenso wie die Verunglimpfung und Diskreditierung der Opfer.

Was wurde eigentlich aus...

Außerdem in dieser Serie erschienen: Nokia, Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust, Talkshowmoderatorin Arabella Kiesbauer, Ehec, Steinkohlebergbau, Radstar Jan Ullrich, Ägyptens Ex-Diktator Hosni Mubarak, Aids, Deutschlandstipendium, Transrapid, Dioxin, Prokon, Chatportal Knuddels, "Costa Concordia" und viele mehr.
Im Überblick: Alle Folgen der Serie "Was wurde aus...?

2018 offenbarte sie sich für die TV-Dokumentation "The Clinton Affair" des Oscar-prämierten Filmemachers Alex Gibney. "Ich bereue es jeden Tag", sagte sie über den Skandal. "Es hat enorme Konsequenzen und Schmerzen verursacht." Dabei wies sie auch darauf hin, dass die meisten Bücher über den Skandal von Männern verfasst worden seien.

Bis heute nennen die Leute sie beim Vornamen, wie eine alte Bekannte. "Hier kam Monica immer rein", sagte Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, als er einem "Time"-Reporter neulich  die Wand im Oval Office zeigte, in der früher eine Tür zum Nebenraum war.

Sie müht sich um Akzeptanz - und um Humor. Auf eine Twitter-Frage nach dem schlechtesten Karrieretipp antwortete sie: "Ein Praktikum im Weißen Haus."

Dieses Jahr wird Lewinsky als Produzentin der neuesten Staffel der TV-Serie "American Crime Story" über den Clinton-Skandal firmieren. "Jahrzehntelang haben andere meine Rolle in dieser Story vereinnahmt", erklärte Lewinsky. Jetzt sei sie dran.

Auch 22 Jahre später lässt Clinton sie nicht los.

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