Fall Olof Palme nach 34 Jahren gelöst Der Mörder tarnte sich als Zeuge

Die schwedische Kripo hat den Mord an Ministerpräsident Olof Palme nach mehr als drei Jahrzehnten aufgeklärt: Es war der "Skandia-Mann", ein Einzeltäter, den die Polizei gut kannte. Was die Enthüllung für Schweden bedeutet.
Premier Olof Palme

Premier Olof Palme

Foto: Dean Pictures/ imago images

Einer der aufsehenerregendsten Kriminalfälle unserer Zeit kann seit heute als gelöst gelten. Nach ungezählten Fehlschlägen und Fahndungspannen gab die Polizei in Stockholm heute um 9.30 Uhr bekannt, wer vor mehr als 34 Jahren den schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme erschossen hat: Stig Engström, ein Einzeltäter.

Weil Engström im Jahr 2000 starb, vermutlich durch Selbstmord, wird der Fall nun zu den Akten gelegt. Das Ergebnis ist nicht nur ein überaus später Erfolg für die Fahnder, sondern auch für die Journalisten des schwedischen Magazins "Filter".

Journalisten haben in akribischer Detailarbeit die Lösung gefunden

Vor zwei Jahren gaben sie bekannt, dass sie in akribischer Detailarbeit und in enger Abstimmung mit der Polizei den Fall gelöst hätten. Für sie bestand kein Zweifel mehr, dass Engström der Mörder war, ein weit rechts stehender Palme-Hasser.

Die "Filter"-Journalisten Thomas Pettersson und Mattias Göransson fanden in mehr als zwölfjähriger Recherchearbeit unter anderem heraus, dass Engström gut mit einem Waffensammler befreundet war, der mehrere Modelle des Kalibers .357 Magnum besaß. Es war das Kaliber der Tatwaffe. Sie konnten außerdem nachweisen, dass Engström ein geübter Schütze war.

Allerdings ist es weder den Journalisten noch der Polizei gelungen, die Tatwaffe ausfindig zu machen. Zwar hat die Kripo von 788 Waffen Schussproben genommen, jedoch ohne eindeutiges Ergebnis.

Dass Engström als Täter feststeht, stellt die Polizeiarbeit in der ersten Zeit nach dem Mord weiter bloß. Der damals 52-Jährige hatte sich am Morgen nach den Schüssen als Zeuge gemeldet, er wurde viermal von Ermittlern befragt und produzierte sich vor laufenden Fernsehkameras am Tatort. In den schwedischen Medien erhielt er den Namen "Skandia-Mann", weil er in einem Gebäude der Skandia-Versicherung als Werbegrafiker arbeitete.

Rund 150 Bücher wurden über den Fall Palme veröffentlicht. Mindestens 134 Personen haben bei der Polizei zu Protokoll gegeben, dass sie Palme ermordet hätten. Es ist darum unmöglich, die Geschichte dieses einzigartigen Falles vollständig zu erzählen. Hier einige der wichtigsten Punkte:

Was geschah am 28. Februar 1986 in der Stockholmer Innenstadt?

Palme hatte an diesem Tag seine beiden Leibwächter nach Hause geschickt, was er häufiger tat, weil er ein möglichst normales Familienleben führen wollte. Abends fuhr er mit seiner Frau Lisbet mit der U-Bahn ins Stadtzentrum von Stockholm, um ins Kino zu gehen. Im "Grand" schauten sie sich die schwedische Komödie "Die Mozart-Brüder" an, dann machten sie sich auf den Heimweg.

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Um 23.21 Uhr näherte sich der Täter dem Ehepaar von hinten und feuerte im Abstand von weniger als einem Meter zwei Schüsse ab. Laut dem rechtsmedizinischen Bericht trat die erste Kugel am Schulterblatt in Olof Palmes Rücken ein, zerschmetterte die Wirbelsäule, durchtrennte die Aorta, trat durch die Luftröhre und die Brust wieder aus. Die zweite Kugel zielte auf Lisbet Palme, streifte sie aber nur und durchlöcherte ihren Wildledermantel.

Die Tat ereignete sich auf einer der belebtesten Straßen der Hauptstadt, dem Sveavägen. Unerkannt entkam der Mörder in eine Seitenstraße und verschwand. Am Tatort befindet sich heute eine bronzene Gedenkplakette im Bürgersteig.

Wer war Olof Palme?

Der 1927 geborene Sozialdemokrat zählte zu den charismatischsten Politikern seiner Generation. Mit seiner Vision einer gerechteren Welt, einem dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, erregte er international großes Aufsehen.

In einer Zeit, die von atomarem Wettrüsten, postkolonialem Aufbruch und Kritik an bestehenden Herrschaftsverhältnissen geprägt war, stand er für das Modell einer humanen Gesellschaft. Dass sich Schweden bis heute als eine Art moralische Supermacht versteht, geht wesentlich auf die Ära Palme zurück.

Zwar war Palme ein Mann, auf den sich viele Hoffnungen richteten, allerdings machte er sich Feinde bei denen, die kein Interesse an Veränderungen hatten. Dass er den Kampf des African National Congress (ANC), der Partei Nelson Mandelas, gegen das Apartheid-Regime in Südafrika unterstützte, trug ihm den Zorn der Regierung in Pretoria und ihrer Anhänger ein.

Während seiner Jahre als Ministerpräsident (von 1969 bis 1976 und von 1982 bis zu seinem Tod) stärkte er in Schweden die Gewerkschaften, baute das staatliche Gesundheitssystem aus und steckte viel Geld in Schulen und Universitäten. Palmes Regierung schuf die gesetzlichen Grundlagen für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die in Schweden weiter gediehen ist als in den meisten Ländern.

Warum haben die Ermittlungen so lange gedauert?

Falsche Spuren, Irrtümer und Ermittlungspannen waren drei Jahrzehnte lang das Hauptmerkmal der schwedischen Polizeiarbeit im Mordfall Palme. Bereits die Sicherung des Tatorts war mangelhaft, eine der beiden Pistolenkugeln wurde erst Tage später zufällig von einem Passanten gefunden.

Die Fahnder konzentrierten sich mal auf einen Einzelgänger, dann wieder waren sie überzeugt, dass sie es mit einem politisch motivierten Mordkomplott zu tun hatten. Ins Visier der Ermittler gerieten kurdische Extremisten von der PKK, eine Gruppe von Verschwörern unter schwedischen Militärs und Polizisten ebenso wie der südafrikanische Geheimdienst. 1989 verurteilte ein Gericht den vorbestraften Alkoholiker Christer Pettersson als Mörder, doch wenig später kam der Mann wieder frei, weil die Beweise gegen ihn dürftig waren.

Die südafrikanische Spur schien lange besonders heiß zu sein. Bekannt ist, dass sich ein Agent der südafrikanischen Polizei am Tag von Palmes Ermordung in Stockholm aufhielt, vermutlich, um eine dort stattfindende Konferenz des ANC auszuspionieren.

Im März dieses Jahres trafen sich schwedische Ermittler in Südafrikas Hauptstadt Pretoria mit Geheimdienstleuten, die ein Dossier überreichten, wie der britische "Guardian" diese Woche berichtete. Auch der schwedische Krimiautor und Journalist Stieg Larsson, Verfasser der "Millenium-Trilogie", hatte vor seinem Tod 2004 jahrelang im Fall Palme recherchiert und vor allem die mögliche Verwicklung Südafrikas im Auge.

Was bedeuten der Mord und seine Auflösung für Schweden?

Der Fall Palme war für das Land traumatisch. Ministerpräsident Stefan Löfven, Sozialdemokrat wie der Ermordete, hat ihn als "eine offene Wunde in der Gesellschaft" empfunden. Es wird dauern, bis sich die Wunde schließt.

Denn zu viele konkurrierende Thesen und Spekulationen, von denen jede ihre glühenden Verfechter hat, sind im Umlauf. Darum ist es unwahrscheinlich, dass sie nun alle die Darstellung der Polizei für das letzte Wort nehmen.

Eine Weile wird es wohl noch rumoren im Fall Palme. Anna Sundström, die Generalsekretärin des Olof Palme International Center in Stockholm, sagte in den Tagen vor der Pressekonferenz: "Ich erwarte keine Klarheit." Dennoch sei es wichtig, den Fall abzuschließen. "Man braucht eine Art von Abschluss, auch wenn man keine Antwort hat."

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