Mord im Kleinen Tiergarten Bundesregierung droht Russland mit weiteren Strafmaßnahmen

Bundesaußenminister Heiko Maas
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Nach der Anklage wegen des Mordes an einem Georgier in Berlin hat Bundesaußenminister Heiko Maas Russland mit weiteren Strafmaßnahmen wegen des Falls gedroht. "Die Bundesregierung behält sich weitere Maßnahmen in diesem Fall ausdrücklich vor", sagte Maas bei einer Pressekonferenz in Wien.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass es sich bei der Tat um einen Auftragsmord der russischen Regierung handelte, wie sie am Donnerstag mitteilte. "Hintergrund des Tötungsauftrags war die Gegnerschaft des späteren Opfers zum russischen Zentralstaat, zu den Regierungen seiner Autonomen Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien sowie zu der pro-russischen Regierung Georgiens", hieß es in einer Mitteilung der Anklagebehörde.
Russischer Botschafter ins Auswärtige Amt eingeladen
Maas sagte, der russische Botschafter sei am Donnerstag wegen des Falls in das Auswärtige Amt "eingeladen" worden. Der SPD-Politiker sprach von einem "außerordentlich schwerwiegenden Vorgang". Es sei "unabdingbar", dass er nun gerichtlich umfassend aufgeklärt werde. Die russische Nachrichtenagentur RIA berichtete unter Berufung auf die Vertretung des Landes in Berlin, der Botschafter sei nicht nur eingeladen, sondern offiziell einbestellt worden.
Ein Regierungssprecher teilte laut Nachrichtenagentur AFP außerdem mit, die Bundesregierung nehme die Anschuldigungen gegen Russland "sehr ernst". Bereits im Dezember 2019 hatte die Bundesregierung wenige Monate nach dem Mord an dem Georgier im Berliner Kleinen Tiergarten zwei russische Diplomaten ausgewiesen.
Zwei Rechtshilfeersuchen wurden von Russland offenbar nicht beantwortet
Am 23. August 2019 wurde der 40 Jahre alte Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit Zelimkhan Kangoshvili im Kleinen Tiergarten in Berlin von einem Fahrrad aus mit Schüssen in Kopf und Rücken ermordet. Der tatverdächtige Russe Vadim Krasikov war noch am Tag des Attentats gefasst worden. Zeugen hatten beobachtet, wie er eine Perücke sowie ein Fahrrad und eine Waffe in der Spree versenkte. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Zunächst hatte er sich als "Vadim Sokolov" ausgegeben. Doch Recherchen des SPIEGEL und seiner Kooperationspartner Bellingcat, "The Insider" und The Dossier Centre zeigten bereits unmittelbar danach, dass diese Identität gefälscht sein dürfte. Zahlreiche Indizien sprachen für eine Beteiligung staatlicher russischer Stellen an der Schaffung der Identität "Sokolov".
Der mutmaßliche Auftragsmord hatte erhebliche diplomatische Verwerfungen zwischen Deutschland und Russland ausgelöst. Wegen der angeblich fehlenden Bereitschaft Russlands, bei der Aufklärung der Tat zu helfen, hatte die Bundesregierung die beiden russischen Diplomaten ausgewiesen. Moskau hatte mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert.
In einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Anfrage der Linken hatte es Anfang Juni geheißen, dass zwei Rechtshilfeersuchen der Berliner Staatsanwaltschaft vom Dezember 2019 "von der Russischen Föderation bislang inhaltlich nicht beantwortet" worden seien. Medienberichten zufolge soll der mutmaßliche Attentäter enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben.